Z Gastroenterol 2010; 48 - P278
DOI: 10.1055/s-0030-1263718

Neue Erkenntnisse zum Wirkmechanismus von Simeticon

R Krastev 1, 2, M Dittrich 2, S Miederer 3, B Havertz 4
  • 1Naturwissenschaftliches und Medizinisches Institut an der Universität Tübingen, Biomaterialien, Reutlingen, Germany
  • 2Max Planck Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung, Grenzflächen, Potsdam, Germany
  • 3Medizinische Poliklinik der Universität Bonn, Bonn, Germany
  • 4Bayer Vital GmbH, Scientific Affairs, Leverkusen, Germany

Simeticon-haltige Antiflatulenzia werden seit 50 Jahren zur Behandlung von funktionellen gasbedingten Beschwerden oder zur Reduzierung von Gasschatten vor diagnostischen Untersuchungen eingesetzt. Über einen pharmakologischen Wirkmechanismus ist nichts bekannt. Gut dokumentiert ist, dass Simeticon Schaumblasen, die im Gastrointestinaltrakt bei der Verdauung entstehen, zerstört.

Ziel dieser in vitro Untersuchung an realitätsnahen Modellschäumen war es, den physikalischen Wirkmechanismus von Simeticon zu untersuchen.

Als Prüfpräparat wurde eine handelsübliche Simeticon-Suspension in verschiedenen Verdünnungen mit Wasser verwendet. Die entschäumende (defoaming) und schaumverhütende (antifoaming) Wirkung wurde an 3 verschiedenen Modellschäumen (n-Dodecyl-β-Maltosid, bovines Serum oder Milchextrakt, stabilisiert) untersucht. Die Oberflächenspannung wurde nach Lecomte de Noüy gemessen, Die schaumzerstörenden und -verhindernden Eigenschaften wurden mit der Bartsch-Methode gemessen und mit den die Oberflächenspannung verändernden Eigenschaften des Prüfpräparates verglichen.

Die Versuchsreihen belegen eine schaumzerstörende wie auch -verhütende Wirksamkeit von Simeticon, die etwa 24 Stunden beibehalten wird.

Es kann eindeutig gezeigt werden, dass die Schaumzerstörung nicht kausal – wie bisher angenommen – auf die Senkung der Oberflächenspannung zurückgeht. Vielmehr findet ein forcierter Flüssigkeitsabzug (fluid entrainment und Marangoni Effekt) aus der Schaumblase nach Kontakt mit Simeticon statt. Dabei dünnt die Schaumblase schnell aus und zerreißt schließlich. Für diesen Effekt, der innerhalb von Sekunden erfolgt, sind Konzentrationen wie sie mit handelsüblichen Präparaten in vivo erreicht werden mehr als ausreichend.

Obwohl in vitro Experimente nur begrenzt in die Human-Medizin übertragbar sind, weisen die Ergebnisse darauf hin, dass Simeticon nicht nur zur Behandlung schon vorhandener gas- bzw. schaumbedingter Beschwerden geeignet ist, sondern darüber hinaus über den ganzen folgenden Tag die weitere Schaumbildung im Gastrointestinaltrakt verhindern kann und als Prophylaxe vor der möglichen Schaumentstehung (Einnahme von blähenden Speisen, Bewegungsarmut, Stress etc.) eingenommen werden sollte.