Z Gastroenterol 2010; 48 - P269
DOI: 10.1055/s-0030-1263709

Gesteigerte Kontraktilität des Rektums in Antwort auf Ballondistension beim Reizdarmsyndrom: Signifikante Assoziation mit viszeraler Hypersensitivität

V Andresen 1, P Layer 1, H Hohendorf 1, A Sumenko 1, M Schemann 2, J Keller 1
  • 1Israelitisches Krankenhaus, Medizinische Klinik, Hamburg, Germany
  • 2Technische Universität München, Institut für Humanbiologie, Freising, Germany

Hintergrund: Viszerale Hypersensitivität (VH), d.h. eine gesteigerte Wahrnehmung intestinaler Stimuli, gilt als wichtiger pathogenetischer Faktor beim Reizdarmsyndrom (RDS). VH lässt sich durch verminderte Schmerzschwellen (≤32mmHg; [1]) bei rektaler Ballondistension nachweisen. Andererseits kann Ballondistension bei manchen Patienten auch rektale Kontraktionen auslösen. Es ist unbekannt, ob eine Beziehung zwischen dem Auftreten von Kontraktionen und VH besteht.

Ziel: Zu prüfen, ob bei RDS-Patienten VH mit einer gesteigerten Kontraktionsantwort auf rektale Distension assoziiert ist.

Methodik: Bei 84 konsekutiven RDS-Patienten wurde mit einem elektronischen Barostat eine Serie von rektalen isobarischen Distensiontests mit stufenweisen Druckanstiegen von 0 bis 48mmHg durchgeführt. Rektale Wahrnehmung (von 0=„keine Wahrnehmung“ bis 7=„Schmerz“) und Schmerzschwellen wurden nach jeder Distension bestimmt, rektale Kontraktionen per Druck-Volumen-Kurve ermittelt; der betreffende Untersucher war gegenüber den individuellen Schmerzschwellen verblindet. Die statistische Auswertung erfolgte mittels ChiSquare- und t-Tests.

Ergebnisse: Bei 38% (n=32) der Patienten fand sich eine VH, bei 27% (n=23) Distensions-induzierte Kontraktionen. Diese beiden Parameter waren hochsignifikant assoziiert: Kontraktionen traten bei 15% der Patienten mit normalen Schmerzschwellen, aber bei 47% der hypersensitiven Patienten auf (p<0,002). Umgekehrt hatten 65% der Patienten mit Kontraktionen eine VH (p<0,002). Dabei lagen die Schmerzschwellen bei Patienten mit Kontraktionsantwort signifikant niedriger als bei denen ohne (31,8±8,8 vs. 38,1±9,3mm Hg; p<0,007).

Folgerungen: Bei Patienten mit RDS besteht eine signifikante Assoziation zwischen einer erniedrigten rektalen Schmerzschwelle und einer rektalen Hyperkontraktilität. Gesteigerte motorische Antworten könnten somit eine Komponente der VH und/oder Schmerzentstehung darstellen: Kontraktile Darmwanddeformierungen stimulieren auch bei konstanter Wandspannung die Aktivität mechanosensitiver Neurone [2] und könnten somit per se die Schmerzwahrnehmung steigern. Diese Befunde sind von potentieller diagnostischer und therapeutischer Bedeutung.