ergopraxis 2010; 3(7/08): 12
DOI: 10.1055/s-0030-1262928
wissenschaft

Dissoziale Störungen – Differenzierte Diagnostik ermöglicht gezieltere Therapie

Further Information

Publication History

Publication Date:
16 July 2010 (online)

 

Dissoziale Störungen im Kindes- und Jugendalter weisen unterschiedliche Anfänge, Symptome und Verläufe auf. Dies ist das Ergebnis einer Literaturübersicht von Dr. med. Timo D. Vloet und seinem Forscherteam der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Aachen.

Die Forscher recherchierten in der Datenbank Pubmed nach Studien aus den Jahren 2002 bis 2009. In den ausgewählten Arbeiten ging es schwerpunktmäßig darum, welche neurobiologischen Faktoren des autonomen Stresssystems ein früh beginnendes und anhaltendes dissoziales Verhalten begünstigen. Die ausgewerteten Daten zeigen, dass verhaltensauffällige Kinder vor dem elften Lebensjahr ein erhöhtes Risiko besitzen, eine antisoziale Persönlichkeitsstörung auszubilden. Dabei bleibt unklar, welche Form der Aggressivität dominiert: die kognitiv gesteuerte proaktive oder die von negativen Emotionen ausgelöste reaktive Aggressivität. Eine zusätzliche ADHS fördert antisoziales Verhalten ebenso wie eine Angststörung, bei der sich Aggressivität scheinbar als Antwort auf ein Gefühl der Bedrohung entwickelt. Zu dissozialem Verhalten kann allerdings auch eine pathologische Angstfreiheit führen, die mit einer verminderten Reiz-Reaktionsfähigkeit des autonomen Nervensystems einhergeht. In Stresssituationen lässt sich im Speichel der betroffenen Kinder und Jugendlichen zudem eine veränderte Konzentration des Stresshormons Kortisol nachweisen. Auch eine erhöhte Herzfrequenz geht laut einigen Studien mit gesteigerter Aggressivität einher.

Die Forscher schlussfolgern, dass bei den betroffenen Kindern und Jugendlichen eine komplexe Wechselbeziehung zwischen individuellem Angsterleben und dissozialem Verhalten besteht. Durch frühzeitiges Diagnostizieren des Persönlichkeitsmerkmales „Ängstlichkeit” könnte man Therapiealternativen daher spezifischer einsetzen.

dawo

Fortschr Neurol Psychiat 2010; 78: 147–153

    >