Klin Padiatr 2010; 222 - Pflege_PO_10
DOI: 10.1055/s-0030-1261657

KangarooMotherCare am Kap der guten Hoffnung – Frauenkliniken im Western Cape/Südafrika arbeiten seit zehn Jahren nach bewährtem Konzept zur Re-Stabilisierung der Eltern-Kind-Beziehung nach Frühgeburt

B Münninghoff 1
  • 1Kinderklinik, Klinikum der Johannes-Gutenberg Universität, Mainz

KangarooMotherCare (KMC) als besondere Möglichkeit zur Unterstützung und Betreuung ehemals kleiner und kranker Früh- und Neugeborener wurde im Jahr 2000 in Kapstadt/Südafrika am Mowbray Maternity Hospital (MMH) von dessen ehemaligen medical director Dr. Nils Bergman als ausgestaltetes Konzept fest etabliert. Seit dieser Zeit arbeitet das ärztliche und pflegerische Personal des MMH nach dessen Prinzipien, die da lauten, skin-to-skin contact, exclusive breastfeeding und support to the mother infant dyad. Im Gegensatz zum mittlerweile seit vielen Jahren auch auf jeder deutschen neonatologischen Intensivstation üblich gewordenen Känguruen im Sinne von mehrstündigem Kontakt auf nackter Haut, den Mutter oder Vater mit ihrem Kind (meist auf einem entsprechenden Stuhl ruhig liegend) in der Klinik halten können, ist die in Südafrika praktizierte Art dieses lebensnotwendigen Hautkontakts in erheblich konsequenterer Weise auch unter Kliniksbedingungen zur Durchführung gekommen. Ein 24stündiger ununterbrochener Hautkontakt von Mutter und Kind wird durch spezielle Tragetücher ermöglicht. Bauliche Veränderungen in der geburtshilflichen Klinik wurden vorgenommen. Uneingeschränkte Besuchsmöglichkeiten für Mütter und Kinder ermöglichen die Unterstützung durch Freunde und Familienangehörige. Auf der Station eingerichtete Versorgungsräume halten Sanitär- und Wasch-, Besuchs- und Kochmöglichkeiten für die Mütter vor Ort parat. Speziell ausgebildetes Personal ist ausschließlich für diesen KMC-Bereich zuständig, einschließlich einer auch für frühgeborene Kinder ausgebildete Stillberaterin, der breastfeeding consultant. Ausschließliches Stillgebot und restriktive Haltung zu Industriemilchverwendung (die z.B. bei fehlender Mutter- oder Ammenmilch bedürftigen Kindern allerdings selbstverständlich angeboten wird) führen zu einer höheren Stillfrequenz bei den Müttern der ehemaligen Frühgeborenen. Die Sicherheit der Mütter im Umgang mit ihren Kindern ist schon während des Krankenhausaufenthaltes spürbar gesteigert. Das Entlassgewicht dieser ehemals kleinen Kinder liegt mit durchschnittlich ˜1750g deutlich unter dem Entlassungsgewicht der Frühgeborenen in Deutschland. Der Krankenhausaufenthalt als solcher verkürzt sich ebenfalls für Mutter und Kind, wenn durch diese Maßnahmen die Selbständigkeit und das Selbstvertrauen der Mütter in ihre Kompetenz gestärkt werden. Kostenersparnis und eine Verminderung nosokomialer Infektionen runden die Positivliste ab. Zur Verfügung stehendes modernes technisches Equipment steht zu diesem Konzept nicht im Widerspruch. Was auch immer an medizinischer, emotionaler oder psychologischer Betreuung im Verlauf des stationären Aufenthalts notwendig erscheint, wird den Kindern und Familien nicht vorenthalten. So differenziert, wird der Grad der Unterstützung der Mutter-Kind-Dyade individuell an die familiären Bedürfnisse angepasst. Die Definiton von KMC basiert auf all diesen Argumenten und obwohl KangarooMotherCare für alle neugeborenen Kinder anwendbar ist und zugänglich sein sollte, ist es besonders für Frühgeborene essentiell, von dessen Vorteilen profitieren zu können. Eine Präsentation über die Abläufe im Mowbray Maternity Hospital in Kapstadt ermöglicht ein Einsehen in möglicherweise defizitäre, aber behebbare Gegebenheiten in deutschen neonatologischen Kliniken.