Klin Padiatr 2010; 222 - GNPI_PO_181
DOI: 10.1055/s-0030-1261648

Wann ist eine Antibiotika-Prophylaxe bei angeborenen Hydronephrosen sinnvoll?

W Kluwe 1, N Idris 1, S Tschumi 2
  • 1Universitätsklinik für Kinderchirurgie, Inselspital Bern, Bern, Schweiz
  • 2Universitätsklinik für Kinderheilkunde, Pädiatrische Nephrologie Inselpital Bern, Bern, Schweiz

Einleitung: Diese Frage wird in der Literatur kontrovers diskutiert und eine Antwort ist durch Studien nicht sicher belegt. Für den Nutzen einer antibiotischen Prophylaxe sind nicht nur die objektivierbaren Kriterien des betrachteten Patienten wie Geschlecht, Alter, Ausprägung Harntransportstörung oder das Vorhandensein eines relevanten vesikoureteralen Refluxes (VUR) von Bedeutung. Aus unserer Sicht sind die epidemiologische Situation der pathogenen Bakterien, die ethnische Zusammensetzung der Bevölkerung, die allgemeine Gesundheitslage und viele andere lokale Bedingungen wichtige Einflussfaktoren. Deshalb ist eine lokale Beurteilung der Situation und die Anpassung der Empfehlungen zu einer antibiotischen prophylaktischen Behandlung aus unserer Sicht sinnvoll. Material und Methode: Zur Vorbereitung einer prospektiven Untersuchung hinsichtlich der Notwendigkeit einer antibiotischen Prophylaxe bei angeborenen Harntransportstörungen haben wir unsere Patienten von Juni 2008 bis Ende 2009 retrospektiv nachuntersucht. Wir werten die Befunde aller Patienten bis zu einem Alter von 16 Jahren mit der Diagnose Harnwegsinfekt oder/und Harntransportstörung aus, die sich im Beobachtungszeitraum in unserer Universitätskinderklink vorgestellt haben. Ergebnisse: Die Ergebnisse sind noch nicht vollständig ausgewertet und können zum Kongresstermin statistisch aufgearbeitet präsentiert werden. In den 18 Beobachtungsmonaten erfolgten insgesamt ca. 24389 Notfallvorstellungen, wurden 7412 Kinder stationär behandelt und ca. 720 Patienten in der Kindernephrologie und 495 Patienten in der Kinderurologie ambulant betreut. Darunter diagnostizierten wir bei 492 Patienten einem HWI (ausgenommen neurogene Blasen/MMC-Patienten). Von diesen Kindern waren nur 43 (27 mit VUR Grad III-V, 6 mit perinataler Hydronephrose, 10 bei anderen komplexen Harnwegsfehlbildungen) unter einer prophylaktischen antibiotischen Behandlung. In unseren Abteilungen sind zur Zeit 327 Patienten mit einem VUR erfasst, wovon 253 eine antibiotische Prophylaxe erhalten. Von diesen 253 Patienten zeigten 27 einen fieberhaften Harnwegsinfekt, wobei insgesamt im Erfassungszeitraum 39 HWIs bei diesen Patienten auftraten. Dagegen sind bei 74 Patienten ohne prophylaktische Therapie bei 26 Patienten (insgesamt 35 HWIs) beobachtet worden. Bei 14 von insgesamt 48 Kindern unter drei Jahren mit einer angeborenen Hydronephrose von mehr als 15mm Nierenbeckenweite führten wir eine antibiotische Prophylaxe durch. Dabei fanden sich unter den 14 mit Prophylaxe 6 HWIs und unter den 34 ohne Prophylaxe 17 Infektionen. Diskussion: Unsere Ergebnisse bestätigen, dass es sinnvoll ist, beim hochgradigen VUR (Grad III-V) eine antibiotische Prophylaxe durchzuführen. Es lässt sich so die Rate an HWI bis zu einem möglichen Persistieren des VUR oder dem Erreichen des Kleinkindalter mit Blasenkontrolle und restharnfreier Entleerung und somit Verminderung des Risikos für einen HWI vermindern. Im Gegensatz dazu ist ein Benefit bei angeborenen Hydronephrosen ohne VUR nicht wahrscheinlich.