Klin Padiatr 2010; 222 - GNPI_PO_177
DOI: 10.1055/s-0030-1261644

Dilatative Kardiomyopathie mit schwerer Herzinsuffizienz und beidseitiges kongenitales Glaukom mit kompletter Linsenluxation bei neonatalem Marfan-Syndrom

A Reinhold 1, B Opgen-Rhein 1, C Buehrer 1
  • 1Charite Kliniken f. Kinderheilkunde und Kinderchirugie, Berlin

Hintergrund: Das autosomal-dominant vererbte Marfan-Syndrom hat eine Inzidenz von ca 1:5000, neonatal manifestiert sich das Marfan-Syndrom jedoch außerdordentlich selten; diese Fälle sind meist sporadisch. Ursächlich ist eine Mutation im Fibrillin1-Gen, welche Störungen der Bindegewebstextur insbesondere an Herz, Auge, Haut und Knorpel verursacht. Klassische Symptome bei Geburt sind eine dilatative Kardiomyopathie insbesondere mit Erweiterung der Aortenwurzel und schwere Herzklappeninsuffizienzen, Cutis laxa, Ectopia lentis, Glaukom, Kontrakturen der großen Gelenke und eine Arachnodaktylie. Bedingt durch kardiovaskuläre Komplikationen ist die Letalität im 1. Lebensjahr mit 70–100% sehr hoch. Ein kongenitales Glaukom stellt ein ophthalmologischen Notfall dar, Therapie der Wahl zur Verhinderung einer kompletten Erblindung ist die operative Trabekulotomie. Fallbericht: Männliches Frühgeborenes, Gestationsalter 33 Wochen, Geburt per primärer Sectio bei Hydrops fetalis. Bei respiratorischer Insuffizienz Intubation und Surfactantgabe, wegen Vorhofflattern mit tachykarder Überleitung elektrische Kardioversion. Schwere, dekompensierte dilatative Kardiomyopathie, Arachnoidaktylie, Cutis laxa, Kontrakturen der Ellenbogen, Leistenhernien, Hornhauttrübung (bedingt durch ein kongenitales Glaukom). Klinische Verdachtsdiagnose neonatales Marfan-Syndrom (nMFS). Die Diagnose konnte molekulargenetisch durch den Nachweis einer heterozygoten Mutation im Exon 27 des Fibrillin1 (FBN1)- Gens bestätigt werden. Spaltlampenuntersuchung des Auges aufgrund der Hornhauttrübung nicht möglich, sonographisch Nachweis einer kompletten Linsenluxation. Antikongestive Therapie initial mit Dobutamin, Milrinone und Schleifendiuretika intravenös, später orale Medikation mit Diuretika und dem alpha-/beta-Blocker Carvedilol. Komplikationslose Trabekulotomie am 16 Lt. möglich, im Verlauf Aufklaren der Corneae. Die Herniotomie der großen Leistenhernien und Entlassung nach Hause waren in Planung, unerwartet am 35. Lebentag akute kardiale Dekompensation und Exitus letalis nach erfolgloser Reanimation. Schlussfolgerung: Seltene Extremform eines neonatalen Marfan-Syndrom mit kardial bedingtem Hydrops fetalis sowie mit kompletter Linsenluxation und einem beidseitigem kongenitalen Glaukom. Trotz der hohen Letalität aufgrund kardialer Komplikationen sollte unserer Meinung nach eine ophthalmologische operative Therapie frühestmöglich angestrebt werden, um im Falle eines längerfristigen Überlebens eine Chance auf Erhalt des Visus zu gewähren.