Klin Padiatr 2010; 222 - GNPI_PO_176
DOI: 10.1055/s-0030-1261643

Akute Kardiomyopathie des Neugeborenen nach mütterlicher Lokalanästhesie mit Mepivacain

J Benzing 1, D Beutler 2, L Hochstrasser 1, E Godi 3, K Rentsch 4, M Schneider 5, O Lapaire 6
  • 1Neonatologie, Universitätskinderspital beider Basel (UKBB), Basel, Schweiz
  • 2Kinderkardiologie, Universitätskinderspital beider Basel (UKBB), Basel, Schweiz
  • 3Gynäkologie & Geburtshilfe, Kantonsspital Bruderholz, Bruderholz, Schweiz
  • 4Klinische Chemie, Abteilung Medikamente & Toxikologie, Universitätsspital Zürich, Zürich, Schweiz
  • 5Anästhesie & Intensivmedizin, Universitätsspital Basel, Basel, Schweiz
  • 6Gynäkologie & Geburtshilfe, Universitätsspital Basel, Basel, Schweiz

Einleitung: Lokalanästhetika (LA) werden routinemässig in der Geburtshilfe eingesetzt, um Schmerzen während der Entbindung zu lindern. Es ist von entscheidender Bedeutung für Geburtshelfer und Neonatologen, neben der Wirkung auch die möglichen Nebenwirkungen der eingesetzten Arzneimittel für Mutter und Kind zu kennen. Wir berichten hier den Fall einer schweren, akuten Kardiomyopathie eines Neugeborenen nach perinealer Infiltrations-anästhesie mit Mepivacain.

Fall: Bei einer Spontangebärenden mit Genitalverstümmelung (FGM III) wurde zur Geburt neben systemischer Opioidgabe eine perineale Infiltrationsanästhesie mit Mepivacain durchgeführt. Das postnatal zyanotische Neugeborene ohne suffiziente Spontanatmung wurde (bei Verdacht auf Überhang mütterlicher Opiode) zunächst erfolgreich mit Nalaxon behandelt. Aber trotz der unmittelbar einsetzenden Spontanatmung, bestand die zentrale Zyanose fort. Deshalb wurde ex juvantibus Prostaglandin E1 eingesetzt, um den Ductus Botalli offen zu halten für den Fall, dass es sich hierbei um ein ductus-abhängiges vitium cordis handeln sollte. Zeitgleich wurden erste Blutproben asserviert, um möglicherweise toxische Spiegel der eingesetzten Analgetika nachweisen zu können. Die wenig später durchgeführte Echokardiografie zeigte zwar eine normale Anatomie, dafür aber eine ausgeprägte Kardiomyopathie (SF <10%). In Folge wurde deshalb der Einsatz von Katecholaminen (Milrinon und Dobutamin), sowie die maschinelle Beatmung notwendig. Am dritten Lebenstag des Kindes erhielten wir schließlich die Bestätigung dafür, dass im kindlichen Blut Mepivacain in toxischen Mengen nachweisbar war. Im Alter von 12 Tagen hatte sich die Herzfunktion bereits wieder vollständig erholt, so dass das Kind in sehr gutem Allgemeinzustand nach Hause entlassen werden konnte. Fazit: Offenbar vermag Mepivacain die Plazentaschranke in signifikanten Konzentrationen zu passieren, was im vorliegenden Fall möglicherweise durch die bei der Mutter bestehende FGM III begünstigt wurde. Die ist der erste Fallbericht, bei dem ein perinatal eingesetztes Lokalanästhetikum eine akute Kardiomyopathie beim Neugeborenen ausgelöst hat.