Klin Padiatr 2010; 222 - GNPI_PO_169
DOI: 10.1055/s-0030-1261636

Kalkulierte, parenterale antituberkulöse Behandlung bei bekanntem Kurzdarmsyndrom, erosiver Gastritis, chronischer Pankreatitis und gesicherter Lungentuberkulose

C Ratajczak 1
  • 1Kinderklinik, St. Johannes-Hospital, Duisburg

Hintergrund: 14-jähriger männlicher Patient in stationärer Behandlung wegen einer erosiven Gastritis und Pankreatitis. Während des Aufenthaltes Zufallsdiagnose einer Lungentuberkulose. Bei bekanntem Kurzdarmsyndrom nach totaler Dünndarmresektion (Z.n. Volvolus) und begleitender chronischer Pankreatitis, sowie daraus folgender eingeschränkter Resorbierbarkeit und Verträglichkeit der antituberkolosen Medikamente Notwendigkeit der ausführlichen Planung der weiteren Behandlung.

Diagnostik: Zunächst Verdachtsdiagnose einer Lungentuberkulose nach Anfertigen eines Röntgen-Thorax wegen produktivem Husten. Darin verdächtiges, neu aufgetretenes, Infiltrat rechts apikal mit begleitender Mediastinalverbreiterung im Sinne eines Primärkomplexes. Im Verlauf Sicherung der Diagnose durch positiven Intrakutantest mit 2 IE RT23. Ausschluss einer offenen Form der Tuberkulose mittels Untersuchung von drei Nüchtern-Mägensäften. Bei sämtlichen Magensäften konnte in Mikroskopie, PCR und Kultur kein Tuberkulose-Erreger nachgewiesen werden.

Durchführung einer Bronchoskopie mit Bronchioalveolären Lavage. Bronchoskopisch konnten, soweit einsehbar, in das Bronchialsystem durchgebrochene Lymphknoten ausgeschlossen werden. Aus dem Bronchialsekret blieben eine Mikroskopie und eine PCR erneut unauffällig. Damit weiterhin Ausschluss einer Infektiösität des Patienten. Aus einer Bronchialsekret-Kultur konnten jedoch Tuberkel-Bakterien angezüchtet werden. Ein Resistogramm wurde angelegt. Die nachgewiesenen Erreger reagierten sensibel auf Isoniazid, Rifampizin, Pyrazinamid, Streptomycin und Ethambutol. Damit nun Stellung der Diagnose einer kulturell offenen Form der Lungentuberkulose.

Nach Einbezug der Nebenwirkungsprofile der Medikamente und parenteraler Verfügbarkeit Entscheidung für eine Behandlung mit Streptomycin i.m. und Ethambutol i.v.. Gegen Isoniazid, Rifampizin und Pyrazinamid entschieden wir uns wegen der Gefahr einer Hepatitis und Pankreatitis. Alle drei Medikamente bargen weiterhin die Gefahr von gastrointestinalen Beschwerden. Beide von uns gewählten Medikamente waren mit der Gefahr der Ototoxizität verbunden. Bei Streptomycin zusätzlich die Gefahr einer Neuritis nervi optici. Daher vor Beginn der Behandlung Vorstellung bei unseren HNO-ärztlichen und augenärztlichen Kollegen. Feststellung einer Normalhörigkeit und eines normalen Augenbefundes mit Normalsichtigkeit. Therapie: Beginn einer Zweifach-Therapie mit Streptomycin (700mg=15mg/kg KG) i.m. und Ethambutol (700mg=15mg/kg KG) i.v. als Kurzinfusion über einen bereits für die parenterale Ernährung liegenden Broviac-Katheter. Klinisch gute Verträglichkeit der Behandlung beim Patienten. Bestätigung einer optimalen Medikamentenspiegels nach dreitägiger Behandlung. Streptomycin-Spiegel 15,9mg/l (therapeutischer Bereich 5,0 bis 20,0mg/l). Behandlung mit Streptomycin für insgesamt 53 Tage bis zum Erreichen einer kumulativen Gesamtdosis von 37,1g Streptomycin. Wechselnde Lokalisation der Applikationsstelle zur Vermeidung von Komplikationen. Sechsmonatige Gabe von Ethambutol i.v. über den Broviac-Katheter. Verlauf: Gute Verträglichkeit der Behandlung beim Patienten. Engmaschige Laborkontrollen durch den behandelnden Hausarzt waren unauffälig. Eine Verlaufskontrolle des radiologischen Lungenbefundes nach zweimonatiger Behandlung ergab einen rückläufigen Befund.