Klin Padiatr 2010; 222 - GNPI_PO_165
DOI: 10.1055/s-0030-1261632

Schwere obstruktive Atmungsstörungen bei kraniofazialen Dysmorhpiesyndromen

M Bacher 1, W Buchenau 2, J Arand 2, A Linz 2, MS Urschitz 2, M Krimmel 3, G Göz 1, S Reinert 3, CF Poets 2
  • 1Poliklinik für Kieferorthopädie, ZZMK, Tübingen
  • 2Neonatologie, Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Tübingen
  • 3Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, ZZMK, Tübingen

Hintergrund: Obstruktive Atmungsstörungen sind bei Kindern mit kraniofazialen Dysmorphiesyndromen (KDS) häufig und ausgeprägt. Eine besondere therapeutische Herausforderung stellt die syndromassoziierte Pierre Robin Sequenz mit zu kleinem und zurückliegendem Unterkiefer, einer in den Rachen verlagerten Zunge (Glossoptose) und fakultativer Gaumenspalte dar. Operative Therapiemethoden wie die Unterkieferdistraktion oder Tracheotomie sind invasiv und nebenwirkungsbehaftet. Methode: Für Säuglinge mit isolierter PRS wurde von uns ein nicht-invasives Therapiekonzept zur Verbesserung der Atmungssituation etabliert und validiert, das u.a. eine Gaumenplatte mit endoskopisch angepasstem „Sporn“ (PEBP, preepiglottic baton plate) beinhaltet. Für Kinder mit obstruktiven Atmungsstörungen bei komplexen KDS (wie z.B. Franceschetti-Syndrom, Goldenhar-Syndrom, syndromalen Kraniosynostosen) fehlte bislang ein derartiges Konzept. Wir wollten überprüfen, ob dieses Therapiekonzept auch bei dieser Patientengruppe wirksam ist. Die Abschätzung der Schwere der Atmungsstörung und die Evaluation des Therapieergebnisses erfolgte durch kardiorespiratorische Polygrafien (PG). Ergebnisse: 73 Kinder mit komplexen syndromalen Erkrankungen wurden von 2003–2009 nach diesem Therapiekonzept behandelt. Bei 11 Kindern wurde die Therapie aus verschiedenen Gründen (u.a. Erfolglosigkeit der Therapie, schwerste Begleiterkrankungen) abgebrochen. Von insgesamt 46 Kindern (0–12 Jahre, Median: 3 Monate) konnten retrospektiv im Rahmen des stationären Aufenthalts erhobene Schlaflabordaten vor Therapiebeginn (PG1) und unter Therapie mit PEBP (PG2) verglichen werden. Für 16 dieser Kinder musste zum suffizienten Offenhalten des Pharynx eine PEBP in diversen Modifikationstypen (z.B. mit Lumen und Drainagelöchern für Sekret an Stelle des „Sporns“; OPAP, oropharyngeal airway plate) angepasst werden. Der mediane (Minimum-Maximum) Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) und der Desaturationsindex <80% (DI 80) lagen bei PG 1 bei 8,1 (0,2–69,4) und 2,9 (0,9–33,0), bei PG2 bei 0,8 (0,0–5,2) und 0,0 (0,0–3,7) (Wilcoxons Test: p<0,001). Schlussfolgerung: Diese Daten zeigen, dass das o.g. Konzept auch bei Kindern mit obstruktiven Atmungsstörungen bei komplexen KDS eine nicht invasive und schonende Therapiealternative darstellt, die vor allem zu einer deutlichen Besserung der obstruktiven Atmungsstörung führt. Hierbei wurden die Erfahrungen aus der Behandlung von Säuglingen mit isolierter PRS genutzt. Es handelt sich um ein interdisziplinäres Konzept mit enger Zusammenarbeit zwischen Kieferorthopädie, Pädiatrie, MKG-Chirurgie und Logopädie. Anhand von Fallbeispielen soll dieses Konzept demonstriert werden.