Klin Padiatr 2010; 222 - GNPI_PO_164
DOI: 10.1055/s-0030-1261631

Schwere Pseudobulbärparalyse durch extrapontine Myelinolyse bei Diabetesmanifestation mit ausgeprägter Hypernatriämie

S Arens 1, B Wilken 2, T Fischer 3, B Drinkuth 1, FK Tegtmeyer 1
  • 1Pädiatrie, Kinderkrankenhaus Park Schönfeld, Kassel
  • 2Klinik für Neuropädiatrie mit SPZ, Klinikum Kassel, Kassel
  • 3Kinderanästhesie und Intensivmedizin, Kinderkrankenhaus Park Schönfeld, Kassel

Zerebrale extrapontine und pontine Myelinolysen gelten als schwere Komplikationen infolge einer rapiden Korrektur von Hyponatriämien, gelegentlich jedoch auch ausgeprägter Hypernatriämien sowie extrem hyperosmolarer Zustände. Im Kindesalter sind diese Erkrankungen sehr selten. Wir beschreiben den Fall einer 15-jährigen Patientin, die mit einer schweren Diabetesmanifestation und extremer Hypernatriämie in unsere Klinik verlegt wurde. Die zuvor auswertige Behandlung war in Unkenntnis der Diagnose lediglich mit exzessiver Gabe isotoner Flüssigkeit erfolgt. Bei Aufnahme war die Patientin schwerst hyperton dehydriert mit Serum-Natriumwerten über 170mmol/l, somnolent mit pharyngealer Parästhesie und Schluckstörungen. Unter vorsichtiger Korrektur der Hypernatriämie mit maximal 1mmol/l/h besserte sich der Zustand zunächst, im weiteren trat dann aber eine rasch progrediente neurologische Symptomatik mit Ateminsuffizienz, kompletter Areflexie, Pseudobulbärparalyse und fehlender Pupillomotorik auf. Die MRT zeigte eine inhomogene Signalalteration des Marklagers, im Liquor zeigte sich eine ausgeprägte Schrankenstörung mit Eiweißerhöhung bei fehlender Pleozytose. Ein Guillain-Barre-Syndrom, bzw. Miller-Fisher-Variante sowie eine myasthene Krise konnten durch unauffällige neurophysiologische Untersuchungen sowie negative Autoantikörper-Befunde ausgeschlossen werden. Eine Beatmung der Patientin war trotz unauffälliger Vigilanz über 13 Tage erforderlich. Mit der Diagnosestellung einer extrapontinen Myelinolyse wurde eine hochdosierte intravenöse Immunglobulintherapie durchgeführt, unter der die neurologische Symptomatik über 14 Tage rückläufig war, die Areflexie verschwand langsam von distal nach proximal. Kontrollen der MRT zeigten eine Normalisierung des Befundes innerhalb von 3 Wochen. Nach insgesamt 5-wöchigem Krankheitsverlauf konnte die Patientin in gutem Allgemeinzustand und ohne neurologisches Defizit entlassen werden, auch im weiteren Verlauf kam es zu keinen erneuten neurologischen Symptomen. In die Differenzialdiagnose zentralnervöser Komplikationen schwerer Elektrolyt- und Flüssigkeitsverschiebungen muss die extrapontine Myelinolyse auch im Kindesalter einbezogen werden. Die Prognose ist bei adäquater Therapie, wie in diesem Fall, meistens günstig.