Klin Padiatr 2010; 222 - GNPI_PO_159
DOI: 10.1055/s-0030-1261626

Konsequent umgesetztes „Open-Lung“-Konzept bei einem 4-jährigen Kleinkind mit ARDS

J von Fürstenberg 1, T Hoppen 1, HC Koch 2, T Nüßlein 1
  • 1Städt. Klinikum Kemperhof, Koblenz
  • 2Kinderabteilung, St. Josef-Krankenhaus, Zell

Hintergrund: Das ARDS besitzt unverändert eine hohe Letalität von 40%. Auch durch adjuvante Beatmungskonzepte (NO, Surfactant, ECMO) hat sich die Prognose nicht wesentlich verbessert. Ein ARDS auf der Grundlage einer saisonalen Influenza bei EBV-Ko-oder Superinfektion im Kleinkindalter stellt eine besondere therapeutische Herausforderung dar. Fallbericht: Ein knapp 5 Jahre alter Junge mit bekanntem frühkindlichen Asthma bronchiale und rezidivierenden Pneumonien und Bronchitiden wurde mit akuter Infektion der Luftwege von einem anderen Krankenhaus bei klinischer Verschlechterung verlegt. Trotz vor Monaten erfolgter spezifischer Impfprophylaxe gegen die aktuelle saisonale Influenza A ließ sich in der PCR im Trachealsekret RNA des humanen Subtyps H3N2 nachweisen. Radiologisch zeigte sich das Bild einer ausgeprägten Atelektase der rechten Lunge, sowie ausgedehnte pneumonische Infiltrate bilateral. Klinisch entwickelte der Patient innerhalb der ersten 12 Stunden ein respiratorisches Versagen mit Hyperkapnie. Der Versuch einer Nicht-Invasiven Beatmung wurde nach 3,5h erfolglos beendet. Bei manifestem ARDS mit einem Oxygenierungsindex ((MAPx FiO2/PaO2) × 100) von 53 und einem Horovitz-Quotienten (PaO2/FiO2) von 60mmHg erfolgte eine invasive durckkontrollierte Beatmung unter Einsatz eines Microcuff-Tubus (5,5mm) am Servoi. Die Beatmung orientierte sich am sog. „Open-Lung“-Konzept. Durch schrittweise Erhöhung des PEEP (maximal 18 cmH2O) und des PIP (maximal 44 cmH2O) gelang eine anhaltende Lungeneröffnung. Unter zusätzlicher Inverse-ratio-Beatmung von 2:1 (Inspiration: Exspiration) ließ sich bei einem PEEP von 10 cmH2O und einem PIP von 28 cmH2O ein Oxygenierungsindex von 10 (Horovitz-Quotient: 148mmHg) erzielen. Bei dieser Druckdifferenz von 18 cmH2O betrugen die Atemzugvolumina 5–6ml/kgKG. Durch eine intermittierende 135°-Seit-Bauchlagerung und wiederholte Recruitment-Manöver gelang die Eröffnung dorsobasal gelegener Atelektasen. Die vom Respirator gemessene dynamische Compliance stieg von initial 1 auf 8ml/cmH2O am dritten Beatmungstag an. Die Entwöhnung erfolgte über eine allmähliche Reduktion der Beatmungsparameter. Nach 10 Tagen gelang die Extubation.

Zusätzlich zum Nachweis einer Influenza A-Infektion manifestierte sich an Tag 15 eine akute EBV-Ko-oder Superinfektion (Ant-VCA-IgM: 21 U). Diese äußerte sich zu diesem Zeitpunkt klinisch nicht, fiel jedoch durch einen Transaminasen und LDH-Anstieg, sowie eine Erhöhung der Lipase auf. Eine mögliche Infektionsquelle ließ sich nicht eruieren. Diskussion: Das respiratorische Versagen im Rahmen einer akuten Influenza A-Infektion kann bei Vorliegen von Risikofaktoren im Einzelfall einen rasch progredienten Verlauf nehmen. Im dargestellten Fall kam es in der klinischen Stabilisierung des Jungen zu einer frischen EBV-Infektion. Da die EBV-Infektion eine Inkubationszeit von 10–50 Tagen aufweisen kann, bleibt retrospektiv ungeklärt, ob es sich um eine Ko-oder Superinfektion handelte. Möglicherweise hat sie Existenz des EBV-Virus den Verlauf der Influenza A-Infektion aggraviert. Eine solche Assoziation in Relation zu einem schwerverlaufenden respiratorischen Versagen mit Entwicklung eines ARDS wurde in der Literatur bislang nicht beschrieben. Fazit: Durch konsequente Umsetzung eines „Open-Lung“-Beatmungskonzeptes mit Recruitment-Manövern kann das ARDS im Kleinkindalter erfolgreich behandelt werden.