Klin Padiatr 2010; 222 - GNPI_PO_148
DOI: 10.1055/s-0030-1261615

Toxisch bedingte neonatale hämolytische Heinzkörperanämie als seltene Differenzialdiagnose einer Hyperbilirubinämie

N Heiner 1, V Distel 1, I Brösse 1, R Kaiser 1, A Trotter 1
  • 1Kinderklinik, Hegau-Klinikum GmbH, Singen

Hintergrund: Neben den klassischen Ursachen der häufigen Hyperbilirubinämie muss vor allem bei negativem Coombstest auch an seltene Ätiologien gedacht werden. Kasuistik: Weibliches Kind einer 32-jährigen 1-Gravida, 1-Para, Spontanpartus nach 41+1/7 Schwangerschaftswochen, SS-Verlauf unauffällig, während der SS keine Medikamenteneinnahme, keine familiären Vorerkrankungen. Im Alter von 3 Stunden fiel eine ausgeprägte zentrale Zyanose bei sonst unauffälliger Klinik und normaler Sauerstoff-Sättigung (97%) auf. Die Blutgasanalyse zeigte unauffällige Werte (pO2 71mmHg arteriell), Hb-Wert 20,2g/dl. Das Blut fiel durch eine sehr dunkle, fast braune Farbe auf. Der Methämoglobinwert (Met-Hb) lag bei 32,8% (Norm <1,5%). Die Therapie erfolgte mit Methylenblau 1% i.v. (1mg/kg), nach 7h lag der Met-Hb-Wert bei 2%. Als Ursache der Methämoglobinämie stellte sich die Gabe von Xylocain an die Mutter im Rahmen der Lokalanästhesie bei Episiotomie heraus. Nach drei Tagen wurde das Kind nach Hause entlassen (Hb 18,5g/dl). Nach weiteren drei Tagen erfolgte die Wiedervorstellung bei Blässe und ikterischem Hautkolorit, ansonsten jedoch unauffälliger Klinik. Der Hb-Wert lag bei 10,2g/dl, LDH 1365U/l, Bilirubin ges. 17mg/dl, Coombs-Test negativ. Innerhalb weniger Stunden zeigte sich ein weiterer Hb-Abfall auf min. 8g/dl, weshalb die Transfusion von 0 rh neg Erythrozyten erfolgte. In dem zuvor gewonnenen EDTA-Blut konnte ein erythrozytärer Enzymdefekt und eine Hämoglobinopathie ausgeschlossen werden (hämatologisches Labor, Ulm, Frau Prof. Kohne). Allerdings fanden sich neben einer hochgradigen Poikilozytose in nahezu allen Erythrozyten Präzipitate von denaturiertem Hämoglobin (Heinzkörper). Ergebnisse und Diskussion:

Instabile Hämoglobine finden sich bei angeborenen hämolytischen Anämien oder bei toxischen hämolytischen Anämien. Bei dem oben geschilderten Fall muss von einer durch Xylocain ausgelösten toxischen hämolytischen Heinzkörperanämie mit initialer Methämoglobinämie ausgegangen werden. Die Höhe des Met-Hb und der Schweregrad der erythrozytären Schädigung lassen auf eine relativ hohe toxische Dosis schließen. Nach der Transfusion trat keine weitere Hämolyse auf. Die Kontrollblutuntersuchungen im hämatologischen Labor ergaben für Patientin und Eltern Normbefunde. Als Konsequenz sollte das Kind lebenslang Lokalanästhetika meiden. Schlussfolgerung: Bei ikterischen Neugeborenen mit Hämolyse muss neben den klassischen Ursachen auch an toxisch vermittelte Formen gedacht werden. Wegweisend war der Blutausstrich mit dem Nachweis von Heinzkörpern. Als seltene Konstellation lag zusätzlich eine intiale Methämoglobinämie vor