Klin Padiatr 2010; 222 - GNPI_PO_147
DOI: 10.1055/s-0030-1261614

Verminderung der Phthalatbelastung bei Frühgeborenen

G Fusch 1, J Angerer 1, M Wittassek 1, C Fusch 2
  • 1Kinderklinik, Ernst-Moritz-Arndt Universität, Greifswald
  • 2Department of Pediatrics, McMaster University, Hamilton ON, Kanada

Einleitung: Di(2-ethylhexyl)phthalat (DEHP) ist ein weit verbreiteter Weichmacher für PVC, der auch in Medizinprodukten, wie Infusionsleitungen Kathetern, Nahrungssonden und Schläuchen für Beatmungsgeräte zu finden ist. DEHP wird nicht chemisch gebunden und kann z.B. durch Fettemulsionen aus Leitungen bei parenteraler Ernährung herausgelöst werden. Da DEHP im Verdacht steht als endokriner Disruptor reproduktionstoxische Wirkung zu besitzen, besteht die Empfehlung zahlreicher Kommissionen (z.B. CSTEE, FDA und Health Canada) Medizinprodukte auf PVC-Basis zu vermeiden. Fragestellung: Ziel der Studie ist, die Aufnahmedosis von DEHP bei Neu- und Frühgeborenen auf der ITS zu quantifizieren und herauszufinden, ob die Verwendung von DEHP-freien Produkten die vorhandene Phthalatbelastung senkt. Methodik: Es wurden 116 Urinproben (81 Neugeborene, 24–42 SSW) über 2 Zeiträume gesammelt In der ersten Periode (Gruppe I, 69 Proben, 42 Kinder) wurden handelsübliches Medizinzubehör verwendet, in der 2. Periode (Gruppe II, 7 Proben, 39 Kinder) wurden nur DEHP-freie Produkte verwendet. Die Proben wurden mittels LC-MS/MS analysiert. Um Verunreinigungen der Proben durch Handhabung und Analytik auszuschließen, wurden nur die hepatischen Metabolite von DEHP (5OH-MEHP, 5oxo-MEHP, 5cx-MEPP and, 2cx-MMHP) untersucht. Ergebnisse:

1. Die tägliche Aufnahmedosis fiel von 167,1±285,2µg/kg/d (Gruppe I) auf 97,6±198,3µg/kg/d (Gruppe II) und liegt damit immer noch über der empfohlenen Tagesmenge für Neugeborene (RfD) von 20µg/kg/d.

2. Die Aufnahme von DEHP ist mit dem Gestationsalter invers korreliert. Frühgeborene Kinder (<34 SSW) zeigen eine signifikant erhöhte DEHP-Aufnahme, verglichen mit Neugeborenen (≥34 SSW).

3. Die interindividuelle Varianz der DEHP-Aufnahme ist bei Frühgeborenen (<34 SSW) sehr hoch (Gruppe I: 387±378µg/kg/d, Gruppe II: 147±234µg/kg/d).

4. Eine Verringerung der Phthalatbelastung bis unterhalb der Referenzdosis wurde nur für die Gruppe der Kinder ≥34 SSW nachgewiesen.

Schlussfolgerung: Die Vermeidung von DEHP-haltigen Medizinprodukten auf der ITS reduziert die DEHP-Aufnahme, aber eliminiert sie nicht. Die Quellen der verbleibenden Belastung sind bisher unbekannt. Es ist zu vermuten, dass sie mit ITS-Prozeduren zusammen hängen, die nicht unmittelbar am Bett stattfinden, da Frühgeborene immer noch eine hohe Phthalataufnahme zeigten. Diese Quellen der Schadstoffbelastung sollen zukünftig weiter untersucht werden.