Klin Padiatr 2010; 222 - GNPI_PO_143
DOI: 10.1055/s-0030-1261610

Intrauterine Therapie der neonatalen Hämochromatose mit intravenösen Immunglobulinen

D Faas 1, R Axt-Fliedner 2, P Whitington 3, KP Zimmer 1, M Heckmann 1
  • 1Allgemeinpädiatrie und Neonatologie, Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Standort Gießen, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Gießen
  • 2Pränataldiagnostik, Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Standort Gießen, Zentrum für Gynäkologie und Gebutshilfe, Gießen
  • 3Department of Pediatrics, Northwestern University, Feinberg School of Medicine, Children's Memorial Hospital, Chicago, USA

Hintergrund: Die neonatale Hämochromatose (NH) ist eine konnatale Hepatopathie mit einer Letalität über 30% unter der bisher angewandten Therapie (antioxidative Therapie, Lebertransplantation). Das Risiko einer HN in der Folgeschwangerschaft nach der Geburt eines betroffenen Kindes beträgt ca. 80–100%. Eine Alloimmungenese der NH ist aufgrund neuer Daten wahrscheinlich. Mit der Gabe von intravenösen Immunglobulinen (IVIG) an die Mutter in der Folgeschwangerschaft steht eine sichere und effektive Methode zur Prophylaxe der klinischen Auswirkungen der NH zur Verfügung.

Fallbericht: Wir berichten über den letalen Verlauf einer NH bei einem Frühgeborenen von 29+4. SSW (Indexpatient) in der vorangegangenen Schwangerschaft und die prophylaktische Therapie mit IVIG der Mutter in der Folgeschwangerschaft. Das 3. Kind gesunder nicht konsanguiner türkischer Eltern mit 29+4 SSW aufgrund eines pathologischen CTGs sowie Oligohydramnions und Wachstumsstillstandes entbunden. Nach unkomplizierter postnataler Adaptation kam es bei konnatalem Leberversagen (NH3 343µmol/l, Quick 9%, Ferritin 608ng/ml) zu einem Multiorganversagen mit Nierenversagen (Kreatinin 2,2mg/dl Kalium 8,2mmol/l), arterieller Hypotension (MAD min. 18mmHg), einer intraventrikulären Hämorrhagie III° und periventrikulärer Leukomalazie. Unter supportiver Therapie (FFP und Thrombozytensubsitution, antioxidativer Cocktail) zunächst Stabilisierung des Kindes, im weiteren Verlauf exitus letalis im Rahmen einer sekundären Sepsis am 55. Lebenstag. Bezüglich der Hepatopathie konnten infektiöse Ursachen, Stoffwechselstörungen, onkologische Erkrankungen, Leber- und Herzfehlbildungen, mütterl. Medikamente und endokrinologische Ursachen ausgeschlossen werden. Im MRT des Abdomens (29. LT) und in der postmortalen Histologie (Pankreas und Herz) konnte keine extrahepatische Siderose nachgewiesen werden. Mit immunhistochemischen Methoden Nachweis einer NH. im postmortal gewonnenen Lebergewebe (Nachweis von C5b-9 Komplexen, einem Bestandteil des Membran Attack Complexes, auf den Hepatozyten). Die Mutter stelle sich im Rahmen der darauffolgenden Schwangerschaft in der 12. SSW mit einem unauffälligen Ultraschallbefund wieder vor. Im Rahmen eines multizentrischen multinationalen Therapieversuches wurde mit einer prophylaktischen wöchentlichen IVIG Therapie der Mutter von der 14–34. SSW begonnen. In der 33. SSW zeigte sich sonographisch kein Anhalt für eine NH im Sinne von Wachstumsrestriktion, pathologischen Dopplerbefunden der Lebergefäße, Oligohydramnion oder Aszites. Schlussfolgerung: Auch bei fehlendem Nachweis einer Eisenspeicherung kann eine neonatale Hämochromatose vorliegen. Der Nachweis erfolgt über Antikörper gegen C5b-9 Komplexe auf den Hepatozyten. Durch die IVIG Gabe an die Mutter während der Folgeschwangerschaft einer NH kann in vielen Fällen eine mit großer Wahrscheinlichekit austretende und mit beträchtlicher Mortalität behaftete Erkrankung des Feten verhindert werden. Dies stützt die These der Alloimmungenese der NH und lässt auch für die ersterkrankten Kinder Alternativen (IVIG, Austauschtransfusion) zu dem bisherigen unspezifischen antioxidativen Therapieverfahren erfolgversprechend erscheinen.