Klin Padiatr 2010; 222 - GNPI_PO_142
DOI: 10.1055/s-0030-1261609

Umsetzung von neuen Empfehlungen für die parenterale und enterale Ernährung von Frühgeborenen: Welchen Einfluss hatte die Umstellung des Ernährungsregimes auf Gedeihen und Outcome bei extremen Frühgeburten?

A Repa 1, R Lochmann 1, A Messerschmidt 1, A Berger 1, A Pollak 1, N Haiden 1
  • 1Abteilung für Allgemeine Pädiatrie und Neonatologie, Universitätsklinik für Kinder und Jugendheilkunde Wien, Wien, Österreich

Hintergrund: Im Jahr 2005/06 wurden von Tsang et al. sowie von der ESPGHAN neue Empfehlungen für die parenterale und enterale Ernährung von Frühgeborenen publiziert. Hiermit standen erstmals auch Normwerte für Frühgeborene unter 1000 Gramm Geburtsgewicht (ELBW) zur Verfügung. Diese neuen Richtlinien wurden an unserer neonatologischen Abteilung umgesetzt. Fragestellungen: Kam es durch das veränderte Ernährungsregime zu Veränderungen hinsichtlich postnataler Gewichtszunahme, Längenwachstum und Kopfumfang bei ELBW Frühgeborenen? Kam es zu einer Veränderung der Inzidenz von nekrotisierender Enterokolitis (NEC), katheterassoziierter Sepsis und mit parenteraler Ernährung assoziierter Cholestase (PNAC)?

Material und Methoden: Retrospektive Datenanalyse aller ELBW Frühgeborener, die im Zeitraum zwischen Januar 2005 und Dezember 2006 (Gruppe A, vor Ernährungsumstellung, n=60) und zwischen Juli 2007 und Juni 2009 (Gruppe B, nach Ernährungsumstellung, n=62) an unsere Abteilung aufgenommen und entlassen bzw. nach Schwangerschaftswoche 37+0 an eine andere Abteilung transferiert wurden. Die Wachstumsdaten (Gewicht, Körperlänge, Kopfumfang), NEC Inzidenz (ab NEC IIa) und PNAC-Inzidenz (konjugiertes Bilirubin >1,5mg/dl an mindestens 2 Tagen) der beiden Gruppen wurden retrospektiv erhoben und statistisch ausgewertet (ANOVA, t-Test, Chi-Quadrat-Test).

Ergebnisse: Die Kinder der Gruppe B zeigten bei unveränderter Hospitalisierungsdauer (Gruppe A: 90,0±29,7 Tage, Gruppe B: 93,7±33,5) eine signifikante Steigerung der Gewichtszunahme (+1,46±0,36g/kg/d), die mit einem höheren Entlassungsgewicht (+503,7±102,9g) einherging. Darüber hinaus war auch beim Körperlängenwachstum (+0,15±0,04cm/Woche) sowie der Zunahme des Kopfumfangs (+0,10±0,02cm/Woche) eine signifikante Verbesserung zu bemerken.

Die Dauer bis zur Beendigung der parenteralen Ernährung zeigte einen Trend zu einem schnelleren enteralen Nahrungsaufbau (Gruppe A: 38 [27–53,5] Tage, Gruppe B: 33 [23–48,3]), wobei die NEC – Inzidenz der Gesamtpopulation an ELBW Frühgeborenen unverändert blieb (Gruppe A 10,6%, Gruppe B 9,3%). Die Inzidenz an PNAC in Gruppe B war deutlich erniedrigt (Gruppe A: 45,5%, Gruppe B: 27,1%), jedoch nach Korrektur für kulturpositive Sepsisepisoden (Gruppe A: 1 Episode 39,7%; 2 Episoden 6,4%; Gruppe B: 1 Episode 27,9%, 2 Episoden 2,3%) nicht mehr statistisch signifikant. Schlussfolgerungen: Durch die Umsetzung der neuen Ernährungsempfehlungen kam es zu einer deutlichen Verbesserung des postnatalen Wachstums bei gleicher Aufenthaltsdauer. Beim standardisierten enteralen Nahrungsaufbau wurde schneller vorgegangen, was aber mit keiner Steigerung der Inzidenz von NEC und PNAC einherging. Die mittlerweile von der AAP (2009) übernommenen Empfehlungen sind somit in der Praxis als sicher und hinsichtlich des Gedeihens als effektiv zu werten.