Klin Padiatr 2010; 222 - GNPI_PO_135
DOI: 10.1055/s-0030-1261602

Das Sandifer-Syndrom

F Dougali 1, S Kruse 1, J Möller 1
  • 1Kinderklinik, Kliniken d. Stadt Saarbrücken, Saarbrücken

Hintergrund: Das Sandifer-Syndrom ist eine seltene Erkrankung des Kindesalters, die erstmals im Jahr 1964 durch Kinsbourne und Oxon beschrieben wurde. Es zeichnet sich durch paroxysmale, spastische Positionierung des Kopfes, Halses, Oberkörpers und der oberen Extremitäten aus. Die typischen Symptome wie Opisthotonus, Torticollis, Dystonie und gegebenenfalls respiratorische Beeinträchtigungen stehen bei Patienten mit Sandifer-Syndrom mit der Symptomatik eines gastroösophagealen Refluxes (GÖR) in ursächlichem Zusammenhang. Fragestellung:

Ist das Sandifer-Syndrom neben z.B. zerebralen Krampfanfällen eine beachtenswerte Differenzialdiagnose bei rezidivierenden Apnoen? Material und Methoden: Fallbericht

Klinischer Fall: Weibliches Frühgeborenes nach 23+6 Schwangerschaftswochen, Geburtsgewicht 590g. Intrakranielle Blutung Grad III mit Parenchymblutung und Infarkt. Posthämorrhagischer Hydrozephalus und Anlage eines VP-Shunts. Symptomatische Epilepsie, effiziente antiepileptische Therapie. Radiologisch gesicherter, schwerer GÖR. Therapieversuch mittels Lagerung und Omeprazol. Sondierung der Nahrung, bei Trinkversuchen sowie in zeitlichem Zusammenhang zu Mahlzeiten Auftreten klinisch relevanter Apnoen und schwerer Bradykardien. Im Rahmen der Nahrungsaufnahme ferner paroxysmaler Opisthotonus, Dystonie der oberen Extremitäten und der Halsmuskulatur sowie deutliche Unruhe. Ergebnisse und Diskussion: Aufgrund o.g. Symptomatik stellten wir die klinische Diagnose eines Sandifer-Syndroms. Des Weiteren traten bei unserer Patientin in Zusammenhang mit einem GÖR respiratorische Symptome bis zur Ateminsuffizienz auf. Zerebrale Krampfanfälle als Ursache der kardiorespiratorischen und motorischen Auffälligkeiten waren mittels Langzeitelektroenzephalogramm nicht nachweisbar. Eine operative Therapie des GÖR, z.B. in Form einer Fundoplicatio, schien uns aufgrund des instabilen Allgemeinzustandes (AZ) mit einem zu hohen Mortalitätsrisiko behaftet. Wir entschieden uns zu einer Tracheotomie, um die Atemwege refluxunabhängig durch eine Trachealkanüle zu sichern. In der Folge stabilisierte sich der AZ des Kindes schlagartig und es wurde erstmals eine teilorale Ernährung möglich. Die Symptome des Sandifer-Syndroms traten nicht erneut auf. Schlussfolgerung: Bei Patienten mit oben beschriebener motorischer Symptomatik, insbesondere in Kombination mit respiratorischer Problematik, sollte das Sandifer-Syndrom neben z.B. zerebralen Ursachen als Differenzialdiagnose Beachtung finden. In unserem Fall erwies sich wegen der insuffizienten Therapie der GÖR und häufig auftretender Ateminsuffizienz die Anlage des Tracheostomas als Therapie der Wahl. Hierdurch kam es nicht nur zum Sistieren der respiratorischen Insuffizienz, sondern auch die übrige Symptomatik des Sandifer-Syndroms konnte behoben werden. Den zugrunde liegenden Pathomechanismus gilt es zu diskutieren.