Klin Padiatr 2010; 222 - GNPI_PO_132
DOI: 10.1055/s-0030-1261599

Ungewöhnlich milder Verlauf eines Undine-Syndroms bei einem reifen Neugeborenen und familiärer Häufung

Z Demir 1, S Böckelmann 1, G Kutschke 2, S Mark 1, T Abu-Tair 3, E Mildenberger 1
  • 1Neonatologie, Universitätsmedizin Mainz – Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Mainz
  • 2Neuropädiatrie, Universitätsmedizin Mainz – Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Mainz
  • 3Pädiatrische Intensivmedizin, Universitätsmedizin Mainz – Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Mainz

Hintergrund: Das Undine-Syndrom oder auch kongenitales zentrales Hypoventilationssyndrom (CCHS) ist eine seltene angeborene Erkrankung, bei der die autonome Atemregulation gestört ist. Es liegt eine Störung der zentralen pCO2-Chemorezeptorsensitivität (verminderte CO2-Antwort) vor. Kinder mit Undine-Syndrom werden typischerweise postnatal intubiert und beatmet. Sie bedürfen ein Leben lang einer invasiven oder auch non-invasiven atemunterstützenden Therapie (Tracheostoma, Maskenbeatmung, Pacer oder Unterdruckbeatmung) während des Schlafs, einige auch im Wachzustand. Als krankheitsbestimmende Mutation wird eine Polyalaninexpansion des PHOX2B-Gens gewertet. Es wird ein autosomal-dominanter Erbgang für die PHOX2B-Mutation vermutet. Zumeist handelt es sich um de novo-Mutationen. Fallbericht: Wir berichten über ein Neugeborenes mit Undine-Syndom, das bisher ausschließlich in der unmittelbar postnatalen Periode eine zentrale Atemregulationsstörung aufwies. Geburt nach komplikationsloser Schwangerschaft per Vakuumextraktion bei 39+3 SSW. Apgar 4/5/7, NapH 7,29. Bei auffälliger Atmung mit abrupten Wechsel von Apnoe und suffizienter Eigenatmung erfolgte die Intubation in der 45. Lebensminute. Im Verlauf zunehmende Spontanatmung unter Intubation. Das Kind wurde am 13. Lebenstag extubiert. Sonografie und MRT des Schädels, Röntgenaufnahmen des Thorax, sowie die Liquordiagnostik waren normal. In der Polygrafie zeigte sich der typische Befund einer kongenitalen zentralen Atemregulationsstörung mit enorm langsamer, unregelmäßiger Atmung und sehr hohem transkutan gemessenem pCO2 im Non-REM-Schlaf und Normalisierung dieser im REM-Schlaf. Unerwünschte Wirkungen mütterlicher Medikation konnten als Ursache der Atemstörung ausgeschlossen werden. Mittels molekulargenetischer Untersuchung gelang schließlich der Nachweis eines Undine-Syndroms. Es konnte eine heterozygote Insertion von 5-Alanin im Polyalanintrakt des PHOX2B-Gens nachgewiesen werden, die zu einer Verlängerung der 20 Alanine im Wildtyp auf 25 Alanine beim mutierten Allel führt (Untersuchung im Institut für Medizinische Genetik, Charité Berlin). Das Neugeborene wurde nach 3-wöchigem stationären Aufenthalt entlassen und mit einem Heimmonitor versorgt. Bislang bedarf es keiner weiteren atemunterstützenden Therapie. Die Mutter des Neugeborenen (Jahrgang 1974) wurde postnatal bei fehlender Spontanatmung intubiert und für 4 Tage maschinell beatmet. Die Großmutter leidet an einem Schlaf-Apnoe-Syndrom. Diskussion: Atemregulationsstörungen des Neugeborenen sollten nach Ausschluss der typischen Ursachen in der Differenzialdiagnose auch Erkrankungen aus dem Bereich der „autonomic nervous system dysfunction“ mit einschließen. Wir beschreiben hier eine Patientin mit Undine-Syndrom und ungewöhnlich blandem Verlauf der zu erwartenden schweren Atemstörung. Eine familiäre Häufung ist selten (weniger 5%), aber hier zusätzlich anzunehmen. Eine molekulargenetische Untersuchung der Familie wird noch durchgeführt werden.