Klin Padiatr 2010; 222 - GNPI_PO_131
DOI: 10.1055/s-0030-1261598

Molybdäncofaktormangel Typ A – kausale Therapie mit cyclischem Pyranopterin-Monophosphat (cPMP)

I Weis 1, J von Fürstenberg 1, Ü Tetik 1, M Fischer 1, JA Santamaria-Araujo 2, G Schwarz 2, A Veldman 3
  • 1Städt. Klinikum Kemperhof, Koblenz
  • 2Institut für Biochemie, Universität zu Köln, Köln
  • 3Monash Medical Centre, Melbourne

Einleitung: Der Molybdäncofaktormangel Typ A ist eine seltene autosomal-recessive Stoffwechselerkrankung, die unbehandelt zum Tod im Säuglings- oder Kleinkindesalter führt. Durch die funktionslose Sulfitoxidase, eines von drei Molybdäncofaktor-abhängigen Enzymen, kommt es zur Akkumulation von toxischem Sulfit im Plasma. Bereits kurz nach Geburt zeigen betroffene Kinder cerebrale Symptome. Das neurotoxische Sulfit bewirkt eine rasch progrediente multizystische subcorticale Encephalopathie mit Krampfanfällen, Hirnatrophie und psychomotorischer Retardierung.

Kasuistik: Ein nun vier Monate alter Junge fiel am 2. Lebenstag mit Nahrungsverweigerung, schrillem Schreien, Krampfanfällen, einschießenden Bewegungen, opisthotoner Körperhaltung und Lactatazidose auf. Das Routinelabor (Blut, Liquor, Urin) war bis auf eine erniedrigte Harnsäure im Serum unauffällig. Die initiale Stoffwechseldiagnostik (Aminosäuren, organische Säuren, Acylcarnitine) ergab zunächst keinen wegweisenden Befund. Das EEG zeigte ein burst-suppression-Muster. Sonographisch stellten sich ab Ende der 2. Lebenswoche rasch progrediente zystische Veränderungen subcortical dar. Ein MRT am 14. Lebenstag zeigte ein leukodystrophieähnliches Bild. Dies führte schließlich – bei deutlich erniedrigter Harnsäure und Nachweis von Sulfit im Urin- zur Verdachtdiagnose des Molybdäncofaktormangels. Dieser wurde durch eine erhöhte Ausscheidung von S-Sulfocystein, Thiosulfat, Sulfit und Xanthin im Urin nachgewiesen und durch Identifizierung der Mutation G126D im Gen MOCS1A molekulargenetisch bestätigt. Seit kurzem steht eine bisher noch nicht zugelassene Substitutionstherapie mit cPMP (Vorstufe des Molybdäncofaktors) als kausale Therapieoption zur Verfügung. Nach Zustimmung des lokalen Ethikkomittees wurde die Therapie als Heilversuch ab dem 31. Lebenstag durchgeführt. Unter engmaschigem Monitoring wird cPMP täglich als Kurzinfusion infundiert. Nebenwirkungen traten nicht auf. Laborchemisch normalisierte sich der Stoffwechsel des Patienten innerhalb von 1–2 Wochen. Auch klinisch sahen wir eine deutliche Besserung: der Junge wurde ruhiger, trank gut, Krampfanfälle verschwanden, einschießende Bewegungen wurden seltener. Im 3 Monate nach Behandlungsbeginn durchgeführten MRT zeigte sich kein Anhalt für eine progrediente Neurotoxizität. Fazit: Mit cPMP steht eine kausale Therapie des Molybdäncofaktormangels Typ A zur Verfügung. Wegweisend in der Diagnostik sind ein positiver Sulfitest im Urin und eine deutlich erniedrigte Harnsäure im Serum. Wesentlich für die Prognose sind frühe Diagnosestellung und Behandlungsbeginn.