Klin Padiatr 2010; 222 - GNPI_PO_127
DOI: 10.1055/s-0030-1261594

Nierenfehlbildungen bei Neugeborenen: Langzeitüberleben und neurokognitive Entwicklung

J Poeschl 1, F Schaefer 2, C Dau 1
  • 1Neonatologie, Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Universität Heidelberg, Heidelberg
  • 2Sektion für pädiatrische Nephrologie, Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Universität Heidelberg, Heidelberg

Hintergrund: Schwere angeborene Nierenfehlbildungen können bereits in der Neonatalperiode durch Lungenhypoplasie und Niereninsuffizienz das Überleben limitieren. Bisher liegen wenige systematische Untersuchungen zu Langzeitverlauf und psychmotorischer Entwicklung dieser Patienten vor. Methodik: In der vorliegenden Studie wurden 52 Kinder mit angeborener Fehlbildung der Nieren und des Harntraktes retrospektiv bezüglich des Langzeitoutcomes analysiert. Zur Beurteilung der psychomotorischen Entwicklung wurde der neurokognitive Status, sowie der Bayley Scales of Mental Developement (II) mit einem Alter von 2 Jahren erhoben. Der Follow-up Zeitraum lag zwischen 9 Monaten und 17,7 Jahren. Ergebnisse: 36 Neugeborene (NG) wiesen eine Fehlbildung des CAKUT (Congenital anomaly of the kidney and urinary tract)-Formenkreises auf, wobei 6 eine refluxive und 8 eine obstruktive Uropathie (OU), sowie 22 eine isolierte Nephropathie aufwiesen. 11 Neugeborene hatten eine polyzystische Nierendegeneration (ARPKD) und 5 eine Kloakenfehlbildung. Es waren mehr Jungen (n=36) als Mädchen (n=24) betroffen. Die NG waren zwischen 26+1 und 41+6 SSW alt mit einem minimalen Geburtsgewicht von 385g und einem max. von 4080g. Bezüglich des 5-Min.-APGARs (Median 8, IQR 2,25) und Nabelschnurarterien-pHs (im Mittel 7,26±0,1) ergaben sich keine Unterschiede zwischen den einzelnen Gruppen. Alle Kinder mit OU und ARPKD wiesen ein Oligo-/Anhydramnion mit konsekutiver Lungenhypoplasie auf. Demzufolge war die Mortalitätsrate in diesen beiden Gruppen mit 2 von 8 (OU) bzw. 4 von 11 (ARPKD) am höchsten. Die Gesamtüberlebensrate lag bei 38 von 52 (=73%). Die Kreatinin-Clearance nach Schwartz lag bei Aufnahme im Mittel bei 12,7±11,1ml/min/1,73 qm KO. Im Verlauf normalisierte sich die Nierenfunktion bei 12 Kindern (Chronic kidney disease I) und bei 14 entwickelte sich eine chronische Niereninsuffizienz (CKD II-IV). Bei 14 Neonaten war bereits in den ersten Lebenswochen eine dialysepflichtige Niereninsuffizienz eingetreten, die auch in der Mehrzahl der Kinder (n=13) im weiteren Verlauf eine Nierenersatztherapie in Form von Peritonealdialyse (PD) (n=12) notwendig machte. Erfreulicherweise konnten mittlerweile 11 dieser Patienten nierentransplantiert werden.

Bezüglich der psychomotorischen Entwicklung zeigten die Kinder mit Uropathie eine allenfalls geringe psychmotorische Entwicklungsverzögerung (Bayley 90–97), wohingegen diejenigen mit einer Kloakenfehlbildung in 2 von 5 Fällen eine schwere Entwicklungsverzögerung aufwiesen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei 3 dieser Kinder eine syndromale Erkrankung vorlag. Insgesamt zeigten 29 der 38 nachuntersuchten Kinder eine normale oder nur leichte psychomotorische Retardierung.

Schlussfolgerung: Neugeborene mit schweren Fehlbildungen der Nieren und/oder des Harntraktes haben eine gute Überlenschance. Die möglicherweise bestehende Lungenhypoplasie stellt den entscheidenden Faktor für das Überleben dar, wohingegen die Niereninsuffizienz gut zu behandeln ist. Nur ca. ein Viertel der Kinder benötigt im Weiteren eine Nierenersatztherapie. Bei adäquater Therapie geht die Nierenfehlbildung mit einer sehr guten Prognose bezüglich des Langzeitüberlebens und der psychomotorischen Entwicklung einher.