Klin Padiatr 2010; 222 - GNPI_PO_117
DOI: 10.1055/s-0030-1261584

Die zystische periventrikuläre Leukencephalomalazie: eine rückläufige Ursache schwerer Entwicklungsdefizite bei Frühgeborenen?

B Resch 1, E Resch 1, U Maurer 1, W Müller 1
  • 1Klinische Abteilung für Neonatologie, Univ. Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde, Medizinische Universität Graz, Graz, Österreich

Hintergrund: Die zystische periventrikuläre Leukencephalomalazie (cPVL) ist eine gefürchtete Komplikation bei Frühgeborenen und Hauptursache für schwere Entwicklungsdefizite. Fragestellung: Ist die Prävalenz der cPVL über die letzten 2 Jahrzehnte unverändert geblieben? Material und Methode: Retrospektive single-center Fallstudie an einer tertiären Neonatologie eines Universitätsklinikums. Datenanalyse anhand einer lokalen elektronischen Datenbank. Einschlusskriterium war die sonographisch verifizierte Diagnose zystische PVL (PVL Grad II – IV nach Linda de Vries), periventrikuläre Echodensitäten (PVL Grad I) waren zwar in der Datenbank kodiert, jedoch von der Analyse ausgeschlossen. Ergebnisse und Diskussion: Zwischen 1988 und 2008 wurden 145 von 6200 Frühgeborene (2,34%) ≤35 Wochen Gestationsalter (median 30,8 Wochen, Geburtsgewicht 1441 Gramm) mit der Diagnose cPVL erfasst. Zwischen 1988 und 1998 (Periode I) lag die Prävalenzrate bei 3,1% (98 von 3187 Kinder) – zwischen 1,0% und 5,8% pro Jahr variierend – verglichen mit 1,5% (59 von 3103 Kinder, p<0,0014) im Zeitraum 1999 bis 2008 (Periode II) – variierend zwischen 0,9% und 2,9%. Während Period 2 zeigte sich ein weiterer Abwärtstrend der Prävalenz der cPVL (36 von 1616 Kindern zwischen 1999 und 2003–2,2% – verglichen mit 23 von 1487 Kindern zwischen 2004 and 2008–1,5%, p=0,083). Einige perinatale Charakteristika zeigten signifikante Änderungen im Vergleich von Periode I und II: Männliches Geschlecht (67 zu 42%, p=0,001), pränatale Steroide (19 zu 42%, p=0,029), peripartale Antibiotika (13 to 46%, p=0,0049), mittlerer Apgarwert nach 5 (8,9 zu 8,3, p=0,002) und 10 Minuten (9,4 zu 8,8, p<0,001), mütterliche Aborte (13 zu 32%, p=0,033), früh- und vorzeitiger Blasensprung – PPROM (59 zu 39%, p=0,009), klinisches Amnioninfektionssyndrom (49 zu 29%, p=0,008), Sectio-caesarea-Rate (44 zu 63%, p=0,008), early-onset Sepsis (50 zu 24%, p=0,001), IRDS mit Surfactantbedarf (45 zu 66%, p=0,003), und neonatale Anfälle (31 zu 7%, p<0,001). Der entwicklungsdiagnostische Follow-up ergab unveränderte Raten an Zerebralparesen (78,6 to 81,4%, p=0,411), jedoch eine signifikante Reduktion mentaler Retardierungen (61,2 zu 30,5%, p<0,0001). Dies korrelierte wiederum mit einem Rückgang der mittleren maximalen Einzelzystendurchmesser (12,2 zu 8,4mm, p=0,005) bei unveränderter Zystenverteilung und Lokalisation im Vergleich der beiden Perioden, wobei die Zysten in Periode 2 früher diagnostiziert wurden (21,7 zu 18,8 Tage, p=0,046). Schlussfolgerung:Über den Studienzeitraum zeigte sich ein signifikanter Rückgang der cPVL bei gleichbleibender Rate an Zerebralparesen und Reduktion mentaler Retardierungen, die mit einer sonographisch geringeren Läsionengröße korrelierte. Die Veränderung perinataler Charakteristika zeigte primär Änderungen im peripartalen Management auf. Der frühere Diagnosezeitpunkt könnte auf häufigeren antenatalen Ursprung der cPVL rückschließen lassen.