Klin Padiatr 2010; 222 - GNPI_PO_102
DOI: 10.1055/s-0030-1261570

Tatsächliche Zufuhr von Cholin und Folsäure bei Frühgeborenen mit <1000g Geburtsgewicht oder <28 SSW Gestationsalter

A Full 1, A Franz 1, J Arand 1, CF Poets 1, W Bernhard 1
  • 1Eberhard-Karls-Universität Universitätsklinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Tübingen

Hintergrund: Cholin ist wesentlicher Bestandteil aller Membran- und Sekret-Phospholipide. Cholin und Folsäure sind essentiell für den Stoffwechsel übertragbarer Methylgruppen in der Leber insbesondere zur Versorgung des zentralen Nervensystems mit mehrfach ungesättigten Fettsäuren und zur Kreatinsynthese. Es ist unklar, ob die Ernährung gemäß heutiger Richtlinien eine ausreichende Versorgung mit diesen Substraten erreicht. Eine Mangelversorgung könnte die bei Frühgeborenen (FG) beobachteten Störungen der kognitiven Entwicklung mit verursachen.

Zielsetzung: Exakte Ermittlung der tatsächlichen Zufuhr von Cholin und Folsäure bei FG und Vergleich mit empfohlener Zufuhr. Methodik: Retrospektives Erstellen von exakten Ernährungsprotokollen bei allen inborn FG mit einem Geburtsgewicht <1000g oder einem Gestationsalter <28 SSW in den Jahren 2006 und 2007 (n=96) mit Ausnahme von 3 FG, die in den ersten 72 Stunden verstorben waren. Berechnung der Zufuhr von Cholin und Folsäure aus tatsächlicher parenteraler und enteraler Nahrungszufuhr. Ergebnisse: In Anlehnung an die tägliche Zunahme des Cholinpools beim Feten um 20mg/kg wurde für diese Analyse ein Bedarf an Cholin von 20mg/kg/d angenommen. Unter dieser Annahme erreichten am 1., 3., 5., 7., 14. und 28. Lebenstag 0%, 2%, 45%, 35% (Rückgang nach Absetzen der parenteralen Zufuhr), 65% und 80% der FG die gewünschte Zufuhr an Cholin. Die mediane (min. – max.) Zufuhr betrug am 1., 3., und 7. Lebenstag 9% (0%-21%), 62% (0%-72%) und 90% (0%-151%) des Bedarfs. Unter der Annahme eines täglichen Bedarfs an Folsäure von 50µg/kg/d erreichten am 1., 3., 5., 7., 14. und 28. Lebenstag 2%, 60%, 50%, 46%, 67% und 88% der FG die gewünschte Zufuhr an Folsäure. Die mediane (min. – max.) Zufuhr betrug am 1., 3., und 7. Lebenstag 15% (0%-163%), 111% (11%-163%) und 96% (9%-235%) des Bedarfs. Schlussfolgerung: Bei mehr als 1/3 der FG konnte in den ersten 14 Lebenstagen keine adäquate Zufuhr der essentiellen Nahrungsbestandteile Cholin und Folsäure erzielt werden. Gegenwärtige Ernährungsregime führen in den ersten 14. Lebenstagen regelmäßig zu einer Unterversorgung mit essentiellen Substraten. Änderungen der Ernährungsstrategien sind erforderlich, um bereits frühzeitig und kontinuierlich eine adäquate Zufuhr zu sichern. Ob durch den Verschluss der initialen Versorgungslücke die neurokognitive Entwicklung verbessert werden kann, muss in zukünftigen Studien geprüft werden. Gefördert durch das Zentrum für Ernährungsmedizin Tübingen/Hohenheim (Projekt 4A II-08).