Klin Padiatr 2010; 222 - GNPI_PO_101
DOI: 10.1055/s-0030-1261569

Der Plethysmografie-Variabilitätsindex (PVI) ist kein geeigneter Indikator für einen Volumenmangel bei überwiegend spontan atmenden Frühgeborenen <1500g während der ersten 96 Lebensstunden

N Müller 1, S Bagci 1, A Müller 1, P Bartmann 1, A Franz 2
  • 1Neonatologie, Zentrum für Kinderheilkunde der Universitätsklinik Bonn, Bonn
  • 2Eberhard-Karls-Universität Universitätsklinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Tübingen

Hintergrund: Volumensubstitution ist eine häufig angewandte Therapie der arteriellen Hypotension bei Frühgeborenen. Der Plethysmografie-Variabilitätsindex (PVI) ermöglicht eine nicht invasive, kontinuierliche Quantifizierung der durch intrathorakale Druckschwankungen bedingten, atemabhängigen Variabilität der Pulskurve und könnte deshalb einen Volumenmangel anzeigen.

Dies wurde bisher jedoch nur bei beatmeten Erwachsenen untersucht. Ziel: Zu prüfen, ob der PVI bei Frühgeborenen einen Volumenmangel anzeigen kann. Methoden: Bei n=20 VLBW-Frühgeborenen wurden während der ersten 96 Lebensstunden mithilfe eines Radical 7.0 Pulsoximeters (Masimo) kontinuierlich die PVI-Werte aufgezeichnet. Nach Ermessen des Dienstarztes, in Anlehnung an allgemein anerkannte Blutdrucknormwerte, wurden unter Verdacht auf Volumenmangel Volumenboli (≥10ml/kg in ≤30 Min. i.v.) verabreicht. Ein „tatsächlicher“ Volumenmangel wurde definiert als Anstieg des mittleren arteriellen Blutdrucks (MAD) um >10% nach Volumenbolus. Wir berichten Mittelwerte als Median und die Perzentilenverteilung (P25-P75) als Streumaß. Ergebnisse: 31 Volumengaben wurden ausgewertet. Der PVI-Wert vor Volumengabe (pre-PVI) betrug 18,9 (14,9–26,4), der PVI-Wert nach Volumengabe (post-PVI) betrug 19,9 (15,9–25,5). Der pre-MAD betrug 26 (23–31) mmHg, der post-MAD betrug 28 (25–36) mmHg. Ein „tatsächlicher“ Volumenmangel im Sinne der o.a. Definition wurde nur in 12 (39%) der untersuchten Volumengaben beobachtet. Bei Volumenmangel betrug der pre-PVI 21,1 (17,2–27,3), der post-PVI 20,5 (15,9–29,1) (p=0,91, Wilcoxon- Vorzeichen Rang Test), der pre-MAD betrug 25 (23–27) mmHg der post-MAD 31 (28–38) mmHg (p<0,001). Im Falle fehlenden Ansprechens auf Volumen betrug der pre-PVI 16,8 (11,9–25,4) und der post-PVI 19,9 (15,8–22,9) (p=0,68). Es bestand kein Unterschied zwischen dem pre-PVI bei Volumenmangel und dem pre-PVI ohne Volumenmangel (p=0,29, Wilcoxon Rangsummentest).

Schlussfolgerung: Der PVI scheint kein geeigneter Indikator für einen durch Blutdruckanstieg nach Volumenbolus definierten Volumenmangel während der ersten 4 Lebenstage bei VLBW-Frühgeborenen zu sein. Ursachen hierfür könnten der hohe Anteil spontanatmender Kinder, die Ungenauigkeit der nicht invasiven Blutdruckmessung, die geringe Fallzahl, sowie die fehlende Standardisierung des Sensorapplikationsdruckes (Klebesensor) bei z.T. eingeschränkter Mikrozirkulation sein. Um die Volumentherapie sehr kleiner Frühgeborener zu verbessern, bedarf es weiterer Studien zu diesem Thema. Anmerkung: Die Pulsoximeter und Sensoren wurden freundlicherweise von der Fa. Masimo Corp, CA zur Verfügung gestellt.