Klin Padiatr 2010; 222 - GNPI_PO_94
DOI: 10.1055/s-0030-1261562

Respiratorische Insuffizienz beim Neugeborenen – wann hilft die Molekulardiagnostik?

E Fischer 1, P Lasch 1, H Schwalm 1, HI Huppertz 1, F Brasch 2, A Leutner 3, M Griese 4
  • 1Klinikum Bremen-Mitte gGmbH Kinderklinik Prof. Hess, Bremen
  • 2Zentrum für Pathologie, Klinikum Bremen Mitte, Bremen
  • 3Klinik für Kinderchirurgie und -urologie, Klinikum Bremen Mitte, Bremen
  • 4Klinikum der Universität München, München

Uns wurde ein reifes Neugeborenes am 3. Lebenstag zur weiteren Therapie verlegt, welches sich initial mit Anpassungsstörung präsentierte, im Verlauf eine PPHN-Symptomatik entwickelte und trotz NO-Therapie persistierende Oxygenierungsprobleme zeigte. Nach Übernahme in unsere Abteilung Beginn einer veno-arteriellen ECMO-Therapie. Im weiteren Verlauf waren nach Dekanülierung dauerhaft hohe Beatmungsdrücke für eine ausreichende Oxygenierung erforderlich. Der primär geäußerte V.a. eine Mekoniumaspiration bestätigte sich nicht. Die weitergehende Diagnostik zeigte u.a. in der Lungenbiopsie Zeichen einer chronisch-interstitiellen eosinophilen Pneumonie, Hyperplasie der Pneumozyten und leicht PAS-positives Material. Die molekulargenetischen Untersuchungen konnten den Verdacht eines kongenitalen Surfactant-Protein-Mangel nicht bestätigen. Aufgrund der infausten Prognose bei anhaltender respiratorischer Insuffizienz beendeten wir die Therapie im Alter von 10 Wochen im Konsens mit den Eltern. Postmortem gelang der Nachweis eines homozygoten Gendefektes im ATP-binding cassette transporter A3-Gen (ABCA3-Gen) im Exon 27 (Lys1388Asn, aag/aac, c.4164G>C); eine Sequenzierung von 44 Kontrollpersonen war unauffällig. Beide Elternteile waren für den nachgewiesenen Defekt heterozygot. Somit bestand der V.a. einen ABCA3-Transporter-Defekt, der sich in der Elektronenmikroskopie bestätigte. Neben Mutationen im SFTPB- und SFTBC-Gen bei Surfactant-Protein-Mangel wurden inzwischen auch Mutationen im ABCA3-Gen nachgewiesen, die mit einer ähnlichen Symptomatik wie bei Patienten mit SP-B-Mangel einhergehen. Eine Mutation in dem jetzt nachgewiesenen Abschnitt des ABCA3-Genes ist bisher noch nicht beschrieben worden. Ob ein Zusammenhang zur chronisch-interstitiellen eosinophilen Pneumonie besteht bleibt unklar, da diese sehr selten sind und im Rahmen von Surfactant-Mangel-Syndromen bisher nicht beschrieben wurden. Es ist zu postulieren, dass Surfactant-Protein-Mangelsyndrome sowie ABCA3-Gendefekte bei Neugeborenen unterdiagnostiziert bleiben, da die betroffenen Patienten meist rasch nach der Geburt versterben, ohne das eine weitergehende Molekulardiagnostik veranlasst wurde. Differenzialdiagnostisch sollte bei Neugeborenen mit unklarer respiratorischer Insuffizienz daher auch an eine ABCA3-Mutation gedacht werden. Betroffene Familien würden von einer gesicherten Diagnose profitieren, da die Eltern, insbesondere im Hinblick auf weitere Schwangerschaften, im Rahmen der Pränataldiagnostik genetisch beraten werden könnten.