Klin Padiatr 2010; 222 - GNPI_PO_68
DOI: 10.1055/s-0030-1261537

Intraabdominelle Hypertonie und Abdominelles Kompartmentsyndrom im Kindesalter – eine Literaturübersicht

T Kaussen 1, M Sasse 2, F Staudt 1, A Schachtrupp 3, G Steinau 3
  • 1Kinderklinik Dritter Orden, Passau
  • 2Kinderklinik der Med. Hochschule, Hannover
  • 3Chirurgische Universitäts- und Poliklinik der RWTH Aachen, Aachen

Hintergrund: IAH und AKS sind in der Pädiatrie seltene (Inzidenz 1–15%), aber fatale Entitäten mit einer Mortalität von 60–88%. Im Erwachsenenalter haben sie sich als unabhängige Prädiktoren für das Entstehen von MOV und Sepsis erwiesen. Altersabhängig herrscht im Neugeborenen- und Säuglingsalter das primäre AKS vor (Urs.: Gastroschisis, Omphalozele, NEC, Darmperforation/-ileus, Tumor, Transplantation), im Kindesalter findet sich dagegen eher das sekundäre AKS (Urs.: Trauma, Verbrennung, Sepsis, Schock). Bis heute ist unklar, ob die von der WSACS veröffentlichen Definitionen und Empfehlungen auch für das Kindesalter gelten (www.wsacs.org). Fragestellung: Inzidenz, Outcome, Messverhalten und -verfahren, IAD-Grenzwerte, Therapieindikationen und -möglichkeiten samt zugehörigen Evidenzgraden im Kindesalter. Material und Methode: Eine PubMed-Analyse der Suchbegriffe „Abdominal Compartment Syndrome + Children“ ergab 81 Treffer, von denen 67 Artikel auf das AKS bezogen waren (32 Case-Reports, 16 retrospektive Studien, 6 prospektive, nicht-randomisierte Arbeiten sowie Reviews). Anhand der zugehörigen Literaturverzeichnisse wurden zusätzlich 25 relevante Studien und Veröffentlichungen eingeschlossen. Ergebnisse und Diskussion: Mit abnehmendem Alter und zunehmender Unreife sinkt die Bereitschaft, relativ invasive Druckmessmethoden wie die Blasendruckmessung durchzuführen. Peritonealdialysekatheter werden – sofern ohnehin vorhanden – als Druckaufnehmer verwendet. Die intragastrale Messung erfolgt nur selten. Die dekompressive Laparotomie mit temporärem Bauchdeckenverschluss gilt als Standard. Eine zusätzliche Behandlungsoption könnte die Punktion und Drainage von Flüssigkeit sein. Die von der WSACS definierte druckabhängige Stadieneinteilung der IAH ist nicht auf das Kind übertragbar. Der Übergang in ein AKS wurde klinisch bereits bei einem IAD von 10–15mmHg beobachtet. Im klinischen Alltag scheint die Diagnosestellung eher auf Beobachtungen als auf der Anwendung spezifischer, IAD-bezogener Definitionen zu beruhen. Schlussfolgerung: Studien sind dringend notwendig, um eine altersadaptierte Einteilung intraabdomineller Druckverhältnisse und daraus ableitbarer Therapieschemata für das Kindesalter zu erhalten. V.a. in Risikogruppen sollte die IAH-Diagnostik durch IAD-Messungen objektiviert werden.