Klin Padiatr 2010; 222 - GNPI_PO_61b
DOI: 10.1055/s-0030-1261528

Mutter-Kind-Interaktion bei Frühgeborenen

A Henning 1, J Meng-Hentschel 2, G Aschersleben 1
  • 1Entwicklungspsychologie, Universität des Saarlandes, Saarbrücken
  • 2Klinik für Allgemeine Pädiatrie und Neonatologie, Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg/Saar

Hintergrund: Die Befunde zu Mutter-Kind-Interaktionsstilen in Dyaden mit sehr früh Geborenen sind widersprüchlich. Viele Arbeiten deuten auf eine geringere mütterliche Sensitivität sowie sozial wenig responsives Verhalten seitens des Kindes hin. Jüngere Studien hingegen legen nahe, dass Mütter Frühgeborener in der Lage sind, die Schwierigkeiten ihrer Kinder zu kompensieren und sie sogar responsiver mit ihrem Kind interagieren als Mütter Termingeborener. Studienziele: 1) Die Qualität der Interaktion Frühgeborener (<1500g Geburtsgewicht) mit ihren Müttern in den ersten Lebensmonaten soll charakterisiert werden. 2) Diese soll mit bereits vorhandenen Daten über die Interaktion termingerecht Geborener mit ihren Müttern verglichen werden. Methodik: Die Interaktionen fanden in einem Untersuchungsraum der Homburger Klinik (Frühgeborene) oder einem Laborraum der Universität (Termingeborene) statt. Für jede Dyade wurde eine maximal 10-minütige freie Spielinteraktion auf Video aufgenommen, bei welcher ein Standardset von 3 Spielzeugen zur Verfügung gestellt wurde. Die ersten 5 Minuten der Aufnahme wurden von einer zertifizierten Kodiererin nach den Kriterien des Child-Adult Relationship Experimental Index (Crittenden, 1988) ausgewertet. Die 9 Dyaden mit Termingeborenen (vollendete SSW: M=39,89, Geburtsgewicht: M=3418g) wurden hinsichtlich Geschlecht und Alter des Säuglings (3 Monate: M=103 Tage korr., 6 Monate: 173 Tage korr.) individuell gematched. Weiterhin wurden Bildungsstand, Alter und Primiparität der Mutter sowie mehrsprachige Erziehung des Kindes berücksichtigt. Vorläufige Resultate (die Phase der Datenerhebung ist noch nicht abgeschlossen): In die Analyse gingen bisher Daten von 9 Frühgeborenen-Dyaden ein (Einzelgeburten; vollendete SSW: M=28,89, SD=1,76, Spannweite=26–31; Geburtsgewicht: M=1145g). 8 Säuglinge waren korr. 3 Monate alt (M=102 Tage korr., 4Mädchen), und 1Mädchen war 6 Monate alt (173 Tage korr.). In beiden Gruppen zeigten 7Mütter (78%) einen sensitiven Interaktionsstil, wovon 2Mütter von Frühgeborenen und 4Mütter von Termingeborenen als hoch sensitiv klassifiziert wurden. Ebenso zeigten in beiden Gruppen 7 Säuglinge (78%) einen kooperativen Interaktionsstil (in beiden Gruppen hatten kooperative Säuglinge sensitive Mütter). T-test Analysen zeigten keinen signifikanten Gruppenunterschied für mütterliche Sensitivität (Frühgeborene: M=8,4, SD=3,4; Termingeborene: M=9,1, SD=3,6, t<1,0) und kindliche Kooperativität (Frühgeborene: M=9,3, SD=3,9; Termingeburt: M=7,8, SD=3,7, t<1,0). Schlussfolgerung: Die bisher vorliegenden Daten weisen darauf hin, dass es keine bedeutsamen Unterschiede im Interaktionsverhalten von Frühgeborenen und ihren Müttern im Vergleich zu Termingeburten und ihren Müttern gibt. Zu einer statistisch validen Aussage sind jedoch die Analysen von weiteren Dyaden notwendig.

Crittenden, P.M. (1988). Relationships at Risk. In J. Belsky & T. Nezworski (Hrsg.), Clinical implications of attachment (S. 136–174). Hillsdale: Erlbaum.