Klin Padiatr 2010; 222 - GNPI_PO_57
DOI: 10.1055/s-0030-1261522

Polyzystische Nierenerkrankungen bei zwei Frühgeborenen und einem Neugeborenen

A Meichsner 1, S Wygoda 2, T Richter 1, C Geyer 3, E Robel-Tillig 1
  • 1Städtisches Klinikum St. Georg Kinderklinik, Leipzig
  • 2Nierenzentrum für Kinder und Jugendliche, KfH, Leipzig
  • 3Klinik und Poliklinik für Kinderchirurgie, Universitätsklinikum Leipzig, Leipzig

Hintergrund: Autosomal rezessiv vererbte polyzyst. Nierenerkrankungen treten bei 1 von 20000 Kindern in unterschiedlichster Ausprägung auf. Studien zufolge zeigen sich zyst. Nierenveränderungen erst ab 30 SSW (Zerres et al.). Die Erkrankung wird somit erst spät pränatal oder postnatal erkannt, weshalb ein Schwangerschaftsabbruch nicht zur Diskussion steht. Die sich anschließende hochspezialisierte und intensive Therapie bei ausgeprägter ARPKD sollte im Sinne des Patienten mehrfach überdacht werden. Wir berichten über 3 Patienten mit polyzystischen Nieren, von denen zwei bereits in der Neonatalperiode als sehr kleine Frühgeborene (<32 SSW) nach Binephrektomie eine Nierenersatztherapie benötigten. Momentan gibt es keine Hinweise in der Literatur, dass FG und NG mit einem derart frühen Beginn und Ausprägung der Symptomatik überlebt haben (Langzeitstudien Rhona et al., 2003, Sushmita 1996, Arbeiter et al. 2008). Aktuell wird davon ausgegangen, dass Voraussetzung für das Überlebens der Neonatalperiode das Vorliegen einer missense-Mutation im PKHD-Gen (Chr.6p12) ist, truncating-Mutationen (Rasterschub) jedoch zum Tod führen (Bergmann et al. 2003/04, Furu et al. 2003, Küpper 2006). Bei einer von uns behandelten Patientin (aktuell 7 Monate) konnten wir diese truncating-Mutation nachweisen. Patienten: Pat. 1: FG 32. SSW, missense-Mutation Pat. 2 29. SSW, truncating-Mutation, Pat. 3: 37. SSW, Asphyxie, kein Mutationsnachweis. Patient 1 und 2 waren nicht oral ernährbar und wurden zunächst einseitig nephrektomiert. Trotz guter Perfusion der verbleibenden Nieren entwickelte sich eine Anurie mit Indikation zur Peritonealdialyse. Aufgrund des massiven Größenwachstums der verbleibenden Nieren (bis 590g) erfolgte die 2. Nephrektomie. Pat. 2 entwickelte postoperativ über 4 Wochen einen massiven Chylascos (bis 700ml/d), der nach Einsatz einer Octreotiddauerinfusion rückläufig war. Zweimalig wurde eine 10-tägige Hämofiltration notwendig, als eine Peritonealdialyse nicht möglich war. Problematisch war eine ausgeglichenen Flüssigkeitsbilanz und die Kreislaufstabilisierung. Diese Einschätzung war mithilfe der 2-Pkt.-Temperaturmessung sehr sensibel möglich. Der Blutdrucks (u.a. renaler Hypertonus) stellte sich als ungeeigneter Parameter heraus. Ergebnisse: Pat. 1 und Pat. 3 konnten ohne zusätzlichen Sauerstoff mit PD und voll oral ernährt nach Hause entlassen werden. Pat. 2 mit dem ausgeprägtesten Krankheitsbild wird noch therapiert.. Diskussion: Bei Pat. 1 und 2 zeigten sich Niereninsuffizienz, Lungenhypoplasie und Ernährbarkeit als negative Prädiktoren der Langzeitprognose. Kinder mit ARPKD sollten daher in einem Zentrum behandelt werden, das nephrologisch, intensivmedizinisch und kinderchirurgisch spezialisiert ist. Mehrfach wurde die ethische Problematik der Therapie erörtert. Unsere Patienten konnten jedoch intensivmedizinisch und nephrologisch soweit stabilisiert werden, dass sich die Frage nach Beendigung der Therapie nicht stellte. Pat. 2 scheint die erste beschriebene Patientin zu sein, die die Neonatalperiode mit einer Rasterschubmutation überlebt hat.