Klin Padiatr 2010; 222 - GNPI_PO_51
DOI: 10.1055/s-0030-1261516

Entwicklung der Schmerz-und Stress-Reaktion, der Berührungsschwelle und der Werte der„Neonatal Pain, Agitation and Sedation Scale“ (N-PASS©) bei Frühgeborenen <1500 Gramm

K Mehler 1, C Hünseler 1, B Roth 1, A Kribs 1
  • 1Univ.-Kinderklinik, Köln

Einleitung: In den ersten Lebensmonaten finden bei extrem unreifen Frühgeborenen (FG) Entwicklungs- und Anpassungsvorgänge im schmerzverarbeitenden System statt, die durch äußere Bedingungen beeinflusst werden können. Es sollte untersucht werden, wie sich die akute Schmerzreaktion der Kinder postnatal entwickelt und ob Zusammenhänge mit einer veränderten Berührungsschwelle existieren. Material und Methoden: Bei 46 FG wurde die Anzahl der schmerzhaften Prozeduren vom ersten LT bis zur Entlassung dokumentiert. An drei Zeitpunkten (1. LW, 32. SSW, 36. SSW) wurden bei einer kapillären Blutentnahme Visuelle Analog-Skala (VAS) und Premature Infant Pain Profile (PIPP) bestimmt. Dreimal täglich wurde von der betreuenden Pflegeperson rückblickend die „Neonatal Pain, Agitation and Sedation Scale“ (www.n-pass.com) als Maß chronischer Schmerz- und Stressbelastung erhoben. Bis auf die Gabe oraler Glucose-Lösung wurden keine sedierenden oder analgetischen Medikamente eingesetzt. Die Berührungsschwelle (Flexor-Reflex) wurde mittels von von Frey Filamenten einmal pro Woche bestimmt. Ergebnisse: Das mittlere Geburtsgewicht lag bei 987g (455–1500), das mittlere Gestationsalter bei 28 SSW (22+5 –33+0). Der Median der 5 und 10 Minuten APGAR-Werte lag bei 8 bzw. 9, der CRIB II Score bei 8,8 (±4,6). 44 (95,7%) Patienten erhielten im Mittel 16,5 Tage eine CPAP-Atemhilfe, 24 (52,2%) wurden im Mittel 5,2 Tage beatmet. Im Mittel wurden bei den FG 54 kapilläre Blutentnahmen, 10 Anlagen peripherer Verweilkanülen, 13 mal die Anlage einer Magensonde sowie 78 Absaugmanöver des Nasenrachenraumes und 14 endotracheale Absaugmanöver durchgeführt. Die Berührungsschwelle zeigte einen signifikanten Anstieg von 6,1 (1,4mN) (±2,2) in der ersten Lebenswoche (LW) bis 8,7 (3,6mN) (±1,2) in der 14. LW (p<0,05). Für die N-PASS© zeigen sich in unserem Kollektiv am ersten LT negative Werte (-0,65), entsprechend einem ruhigen Zustand ohne übermäßige Depression. Am 2. LT steigt der Score signifikant an (1,05) und liegt damit im Bereich normaler Ausgeglichenheit. Am 3. LT (0,75) und 4. LT (0,86) sinkt er leicht. Vom 5.-15. LT lagen die Werte im Mittel bei 0,1–0,41 und damit ebenso im Bereich der Ausgeglichenheit. Die akute Schmerzreaktion auf kapilläre Blutentnahmen, gemessen mittels PIPP und VAS, stiegen demgegenüber von Geburt bis zur 36. SSW signifikant an (VAS: 1. LW 2,3±2,9, 32. SSW: 3,7±2,7, 36. SSW: 5,1±2,3 (p<0,05), PIPP 1. LW: 7,9±3,1, 36. SSW: 9,7±3,1 (p<0,05)). Schlussfolgerung: Unsere Ergebnisse unterstreichen die häufige Exposition FG mit schmerzhaften Maßnahmen (im Mittel 169/Kind) in den ersten Lebenswochen. Obwohl mit zunehmendem Alter die initial niedrige Berührungsschwelle ansteigt, werden die Reaktionen auf den akuten prozeduralen Schmerz im Laufe der Zeit heftiger, möglicherweise gebahnt durch Vorerfahrungen. Die Werte der N-PASS©Skala zeigen aber, dass die Kinder sich insgesamt in einem zufriedenstellenden und erwünschten Bereich der Ausgeglichenheit befinden.