Klin Padiatr 2010; 222 - GNPI_PO_25
DOI: 10.1055/s-0030-1261485

Akutes Abdomen und Hyperleukozytose bei einem 9Wochen alten Frühgeborenen: Nur eine nekrotisierende Enterocolitis?

T Eltermann 1, R Wößner 1, S Kunzmann 1, J Liese 1, C Wieg 2, J Wirbelauer 1, W Thomas 1
  • 1Universitäts-Kinderklinik im Luitpold-Krankenhaus, Würzburg
  • 2Kinderklinik, Klinikum Aschaffenburg, Aschaffenburg

Einleitung: Eine nekrotisierende Enterocolitis (NEC) tritt überwiegend bei sehr unreifen Frühgeborenen auf. Die genaue Pathogenese dieser Erkrankung ist ungeklärt. Bei reiferen Neugeborenen oder einem spät postnatalen Auftreten liegen in der Regel zusätzliche prädisponierende Faktoren vor, die eine hypoxisch-ischämische Darmschädigung begünstigen.

Fall: 9 Wochen altes, weibliches Frühgeborenes nach 31+3 Schwangerschaftswochen (Geburtsgewicht: 1240g) mit seit zwei Wochen bestehender Luftwegsinfektion. Stationäre Aufnahme wegen Fieber über 40°C. Es zeigt sich eine Hyperleukozytose (Leukozyten 126.000/µl, Stabkernige 14%, Segmentkernige 35%, Lymphozyten 22%) sowie eine Gerinnungsaktivierung. Klinisch und radiologisch atelektatische Pneumonie, Beginn einer antibiotischen Therapie. Wenige Stunden nach stationärer Aufnahme Bild eines akuten Abdomens mit radiologischem und sonografischem Nachweis von Luft im Portalvenensystem. Noch vor chirurgischer Intervention verstarb das Kind unter dem Bild eines fulminanten septischen Schocks. In der Obduktion makroskopisch und mikroskopisch Zeichen einer NEC. Mittels Polymerase-Kettenreaktion im Rachenabstrich sowie in Gewebeproben aus Lunge, Halsweichteilen und Darm Nachweis von Bordetella pertussis DNA. Serologische Untersuchungen sprechen für die Mutter als mögliche Überträgerin der Pertussis-Infektion. Diskussion: Infektionen mit Bordetella pertussis im jungen Säuglingsalter haben oft einen schweren Verlauf mit hoher Letalität. In dieser Altersgruppe können Apnoen im Rahmen der Infektion eine Gewebshypoxie begünstigen. Eine durch Pertussis-Toxine getriggerte Hyperleukozytose kann zudem über eine Leukostase und eine Schädigung des Gefäßendothels zu Gewebsischämien führen. Beide Mechanismen können bei fulminanten oder disseminierten Verläufen, wie im berichteten Fall, die Entstehung einer NEC sowie eines Multiorganversagens unterstützen. Weder Pertussis-Infektion noch Impfung hinterlassen eine lebenslange Immunität. Wesentliches Reservoir für Pertussis stellen infizierte Erwachsene oder Adoleszenten mit nicht vorhandener oder nicht mehr ausreichender Immunität dar. Bei ihnen verläuft die Infektion oft atypisch oder asymptomatisch Daher wird für Frauen mit Kinderwunsch und engen Haushaltskontaktpersonen von Neugeborenen und Säuglingen, deren Pertussis-Impfung länger als zehn Jahre zurückliegt, eine Auffrischung des Impfschutzes empfohlen. Unabhängig davon wird die einmalige Pertussis-Impfung im Rahmen der Tetanus- und Diphtherie-Auffrischimpfung für alle Erwachsenen angeraten.