Klin Padiatr 2010; 222 - GNPI_PO_18
DOI: 10.1055/s-0030-1261478

Myeloperoxidase triggert die Rekrutierung neutrophiler Granulozyten über das Beta-2 Integrin Mac-1 (CD11b/CD18)

C Nussbaum 1, A Klinke 2, O Genzel-Boroviczény 3, S Baldus 2, M Sperandio 1
  • 1Walter-Brendel-Zentrum für Experimentelle Medizin, Ludwig-Maximilians-Universität, München
  • 2Universitäres Herzzentrum Hamburg, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg
  • 3Neonatologie der Universitätskinderklinik im Perinatalzentrum Innenstadt, Ludwig-Maximilians-Universität, München

Hintergrund: Bakterielle Infektionen und Sepsis tragen wesentlich zur Morbidität und Mortalität von Frühgeborenen bei. Bei der primären Abwehr pathogener Keime spielt die Auswanderung neutrophiler Granulozyten in entzündlich verändertes Gewebe eine entscheidende Rolle. Ein wichtiger antimikrobieller Effektor von neutrophilen Granulozyten ist das Enzym Myeloperoxidase (MPO), welches nach Zellaktivierung intra- und extrazellulär freigesetzt wird und bei Frühgeborenen in vermindertem Maße vorliegt. Darüber hinaus wurde in vitro gezeigt, dass MPO unabhängig von seiner enzymatischen Aktivität über eine Bindung an das β2-Integrin Mac-1 (CD11b/CD18) zu Aktivierung und Adhäsion von Granulozyten führt und somit deren Rekrutierung begünstigen könnte.

Zielsetzung: Ziel der vorliegenden Arbeit war es zu untersuchen, ob MPO die Rekrutierung neutrophiler Granulozyten in vivo beeinflusst. Methoden: Zur Beurteilung des Rekrutierungsprozesses in vivo wurden Leukozytenrollen und -adhäsion in entzündlich veränderten Venolen des Cremastermuskels an der narkotisierten Maus beobachtet. Die Gewebeinfiltration wurde histologisch anhand Giemsa-gefärbter Cremasterpräparate quantifiziert. Ergebnisse: Unsere Versuche zeigten, dass die Rekrutierung neutrophiler Granulozyten im TNF-α stimulierten Cremastermuskel bei Mpo-/- Mäusen signifikant reduziert war im Vergleich zu Wildtyp (WT) Mäusen. Die systemische Injektion von MPO in WT Mäusen verursachte eine prompte und signifikante Zunahme adhärenter Leukozyten in unstimulierten Cremastermuskelvenolen verglichen mit der Injektion von NaCl 0,9%. Nach intraskrotaler Applikation von MPO führte dies zu einer ausgeprägten Leukozytenrekrutierung mit einer hohen Anzahl adhärenter und ausgewanderter Granulozyten, welche selbst die Positivkontrolle mit TNF-αübertraf. Dieser Effekt wurde auch bei Verwendung von katalytisch inaktivem MPO beobachtet, konnte jedoch fast vollständig durch Vorbehandlung mit einem blockierenden Antikörper gegen Mac-1 aufgehoben werden. Im Gegensatz dazu zeigte eine Blockade des β2-Integrin LFA-1 (CD11a/CD18) keine Wirkung. Schlussfolgerung: Zusammenfassend zeigen unsere Experimente, dass MPO in vivo unabhängig von seiner katalytischen Aktivität über Interaktion mit dem β2-Integrin Mac-1 als starker Trigger der Leukozytenrekrutierung fungiert und hierdurch eine bislang unbekannte Rolle im Rahmen infektiöser und inflammatorischer Prozesse einnimmt. Der verminderte MPO Gehalt neonataler Granuloyzten könnte somit nicht nur Auswirkungen auf die unmittelbare Bekämpfung von Pathogenen haben, sondern auch indirekt durch eine verminderte Rekrutierung von Granulozyten zu der erhöhten Infektanfälligkeit von Frühgeborenen beitragen.