Klin Padiatr 2010; 222 - GNPI_PO_6
DOI: 10.1055/s-0030-1261466

Invasive Infektionen durch Gruppe B-Streptokokken (Streptococcus agalactiae) bei Neugeborenen und jungen Säuglingen in Deutschland – Aktuelle Ergebnisse der laufenden ESPED-Studie

F Lander 1, B Heinrich 2, M Hufnagel 1, K Flügge 1, R von Kries 2 R Berner 1 im Namen der Studiengruppe der ESPED
  • 1Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Sektion Pädiatrische Infektiologie, Immunologie und Vakzinologie, Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg
  • 2Erfassungseinheit seltener pädiatrischer Erkrankungen (ESPED) in Deutschland, Koordinierungszentrum für Klinische Studien, Universitätsklinikum Düsseldorf, Düsseldorf

Hintergrund: Streptokokken der Serogruppe B (GBS) sind die häufigsten Erreger der neonatalen Sepsis und Meningitis. In den USA hat die Implementierung einer Screening-basierten intrapartalen Antibiotika-Prophylaxe (IAP) zu einer signifikanten Reduktion der Inzidenz der Early-onset Sepsis durch GBS geführt. Auch in Deutschland wird die IAP bei bekannter GBS-Kolonisation der Mutter zunehmend angewendet. Zur Auswirkung dieser Maßnahme auf die Inzidenz neonataler Infektionen durch GBS in Deutschland lagen bisher keine Daten vor. Wir stellen aktuelle Zwischenergebnisse der seit 2008 laufenden ESPED-Studie vor im Vergleich mit Daten der vorhergehenden ESPED-Erhebung aus den Jahren 2001 bis 2003. Methode: Deutschlandweit wurden Erkrankungsfälle durch GBS mit Keimnachweis in Blut oder Liquor bei Neugeborenen und Säuglingen jünger als vier Monate über das Meldesystem der ESPED im Zeitraum von Januar 2008 bis Dezember 2009 erfasst. Von den meldenden Kinderkliniken werden Daten zu Klinik und peripartaler Anamnese mittels Fragebogen erhoben. Parallel dazu werden seit Anfang 2009 über das Robert-Koch-Institut alle für Kinderkliniken relevanten mikrobiologischen Labore in Deutschland abgefragt, verbunden mit der Aufforderung isolierte Stämme zur Untersuchung einzusenden. Ergebnisse: Im Zeitraum 01/2008 bis einschließlich 12/2009 wurden insgesamt 226 Infektionen durch GBS über die Klinikabfrage der ESPED gemeldet und damit deutlich weniger als im vergleichbaren Zeitraum der Vorläuferstudie mittels des identischen Meldesystems erfasst wurden (347 Fälle). Auch unter Berücksichtigung des Geburtenrückgangs im Vergleich zur Vorstudie bleibt ein geschätzter Rückgang der Inzidenz von 0,47 Fällen auf ca. 0,3 Fälle pro 1000 Lebendgeborenen pro Jahr. Etwas weniger als die Hälfte (48%) der Infektionen verlief als Early-Onset-Sepsis (EOS) mit einem Erkrankungsbeginn innerhalb der ersten sechs Lebenstage. 52% erkrankten mit einer Late-Onset-Sepsis (LOS) nach dem sechsten Lebenstag. Die Letalität der GBS-Infektionen lag mit 4% auf dem gleichen Niveau wie in der Voruntersuchung. Ebenso ist der Anteil an Frühgeborenen mit GBS-Infektion mit 27% so gut wie unverändert. In der Untersuchung der eingesandten GBS-Isolate fand sich überwiegend der Serotyp III (ca. 75%), gefolgt von den Serotypen Ia (10%), V (6%) und Ib (5%). Alle Stämme zeigten sich gegenüber Penicillinen und Cephalosporinen empfindlich. Zusammenfassung: Die Inzidenz von GBS-Infektionen bei Neugeborenen und jungen Säuglingen erscheint im Vergleich zur Vorläuferstudie 2001–2003 deutlich rückläufig. Der Rückgang scheint sich vor allem auf die Häufigkeit der Early-Onset-Sepsis auszuwirken – möglicherweise als Effekt der intrapartalen Antibiotika-Prophylaxe. Der klinische Verlauf der Erkrankungen zeigt bezüglich Letalität und Manifestation keine wesentlichen Unterschiede zur vorhergehenden Erhebung.