Klin Padiatr 2010; 222 - DGPI_PO_37
DOI: 10.1055/s-0030-1261453

Nierenabszess unter dem Bild eines Nierentumors

M Freisen 1, L Korp 1, A Guggemos 1, P Groneck 2, M Kellner 1, M Weiß 1, R Cremer 1
  • 1Städt. Krankenanstalten Kinderkrankenhaus, Köln
  • 2Kinderklinik, Klinikum Leverkusen gGmbH, Leverkusen

Einleitung: Bei der Differenzialdiagnose eines Nierentumors muss auch an einen Nierenabszess gedacht werden, der wie das Beispiel eines 8-jährigen Jungen zeigt, raumfordernden Charakter haben und bildmorphologisch einem zystischen Nierentumor gleichen kann. Fallbericht

Ein 8 jähriger Junge ohne Vorerkrankung stellte sich mit seit 2 Wochen bestehendem, linksseitigem Flankenschmerz, hohem Fieber, Leistungsknick, Nachtschweiß und Gewichtsabnahme vor. Bei stark erhöhten Entzündungszeichen (CRP >100mg/l) im Blut und normalem Urinbefund wurde auswärts eine antibiotische Therapie mit Cefuroxim und Erythromycin begonnen. Sonografie und MRT zeigten eine inhomogene zystische, septierte Raumforderung von 5,9cm Durchmesser am oberen Pol der linken Niere, die den Pankreasschwanz verdrängte. Differenzialdiagnostisch kamen ein zystisches Nephroblastom oder ein Neuroblastom in Frage, da die Nebenniere nicht abgrenzbar war. Hierfür sprach auch eine erhöhte Neuronen-spezifische Enolase (NSE, nicht spezifischer Tumormarker des Neuroblastoms). Katecholamin-Metaboliten im Urin waren aber nicht erhöht. Nach Übernahme des Patienten stellten wir die antibiotische Therapie von Erythromycin auf Clindamycin unter der Verdachtsdiagnose eines Nierenabszesses um. Daraufhin sank der CRP-Wert deutlich. Bei weiteren Fieberspitzen folgte nach 3 Tagen eine erneute Umstellung der antibiotischen Therapie auf Meropenem und Vancomycin. Darunter entfieberte der Patient und der CRP-Wert wurde normal.

Bei weiterhin bestehender Raumforderung der Niere empfahl die Nephroblastom-Studienzentrale eine Nephrektomie. Erst in der Kontrollsonografie am 14. Tag der antibiotischen Therapie war der Prozess in der linken Niere rückläufig und bildete sich in der Folge komplett zurück (Sonografie und MRT negativ). So konnte auf einen operativen Eingriff verzichtet und die antibiotische Therapie für 12 Tage fortgesetzt werden. Der Patient erhält eine Infektprophylaxe mit Cefaclor bis zur geplanten MCU und Szintigrafie zum Ausschluss von VUR und Verifizierung von Nierenfunktionseinschränkungen.

Schlussfolgerung: Ein Nierenabszess kann raumfordernd imponieren und deshalb primär als Nierentumor mit umfangreichen diagnostischen Konsequenzen, bis zur Nephrektomie, gedeutet werden. Obwohl das Alter des Patienten nicht typisch für ein Nephroblastom oder Neuroblastom war, musste bei der Bildgebung der Tumorverdacht verfolgt werden. Der Auschluss eines Malignoms erfolgte durch den über mehrere Wochen eintretenden günstigen Verlauf mit kompletter Rückbildung unter Antibiotika. Auch ohne kulturellen Erregernachweis wurde hier ein ungewöhnlich imponierender Nierenabszess klinisch unter intensivem Monitoring und Therapie bestätigt.