Klin Padiatr 2010; 222 - DGPI_PO_25
DOI: 10.1055/s-0030-1261441

Meningoradikuloneuritis und intrakranielle Hypertension im Rahmen einer Neuroborreliose bei einem sechsjährigen Mädchen

N Toepfner 1, P Aichele 2, J Kirschner 1, R Berner 1, C Müller 1
  • 1Universitätsklinikum, Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Freiburg
  • 2Universitätsklinikum, Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene, Freiburg

Einleitung: Die Neuroborreliose im Kindesalter manifestiert sich vorwiegend als akute periphere Fazialisparese und seröse Meningitis. Die lymphozytäre Meningoradikuloneuritis (Bannwarth-Sydrom) – als typisches Erkrankungsbild im Erwachsenenalter – ist bei Kindern selten. Das Auftreten von intrakranieller Hypertension bei kindlicher Neuroborreliose ist beschrieben. Fallbericht: Wir berichten über ein sechs Jahre altes Mädchen mit den Symptomen neu aufgetretener Doppelbilder sowie Rückenschmerzen im BWS-Bereich seit 3 Monaten. Neben einer generellen Leistungsminderung hatte die Patientin eine Hyperakusis, intermittierend Kopfschmerzen bei Kopfbeugung und einen Gewichtsverlust von 4kg in 3 Monaten. Fünf Monate zuvor waren zwei Zeckenstiche an der oberen Extremität aufgetreten. Opthalmologisch zeigte sich eine Abduzensparese rechts und mäßig ausgeprägte Stauungspapillen beidseits mit Sehunschärfe rechts. Die Labordiagnostik ergab normwertige Entzündungsparameter. Im cMRT zeigte sich eine Kontrastmittelanreicherung im Sinne einer Polyradikulitis cranialis der Hirnnerven III, V, VI, VII, VIII, IX und XII beidseits und kein meningeales Enhancement. Bei der Lumbalpunktion zeigten sich eine intrakranielle Hypertension, eine erhöhte Liquoreiweißkonzentration und eine mononukleäre Pleozytose. In Serum und Liquor fanden sich erhöhte IgM- und IgG-Titer gegen Borrelia burgdorferi mit Nachweis einer intrathekalen Antikörper-Synthese bei spezifischen IgM-Banden p41 und OspC sowie IgG-Banden VlsE und p41 in Serum und Liquor. Es erfolgte eine intravenöse antibiotische Therapie mit Ceftriaxon und eine begleitende orale Therapie mit Acetazolamid. Zu Therapiebeginn trat in den ersten 5 Tagen morgendliches Nüchternerbrechen auf. Die Rückenschmerzen waren in den ersten Therapietagen regredient. Bei persistierenden Doppelbildern und Stauungspapillen fand nach 7 Tagen eine erneute Liquorpunktion statt. Es zeigte sich weiterhin ein erhöhter Liquordruck, aber eine deutlich reduzierte Liquorzellzahl und Liquoreiweißkonzentration sowie zusätzlich spezifische IgG-Banden gegen p100 und p41i. Die Ceftriaxontherapie wurde intravenös für insgesamt 14 Tage fortgeführt, die Acetazolamidtherapie mit langsamer Dosisreduktion über 5 Wochen bis zur Restitutio des Augenfundus. Zusammenfassung: Das Auftreten von persistierendem Erbrechen und intrakranieller Hypertension in Assoziation zur kindlichen Neuroborreliose sind eine sehr seltene Komplikation. Im beschriebenen Fall trat die intrakranielle Hypertension zusammen mit der für das Erwachsenenalter typischen Krankheitsmanifestation der Polyradikuloneuritis auf. Im Kindesalter ist das Bannwarth-Syndrom extrem selten.