Klin Padiatr 2010; 222 - GNPI_FV_78
DOI: 10.1055/s-0030-1261415

Charakterisierung der Lungenmechanik und Entzündungsreaktion in heterozygoten ABCA3-Mäusen nach Haltung in Raumluft und nach 72h in Sauerstoffumgebung

S Herber-Jonat 1, M Huppmann 1, R Mittal 2, M Hammel 2, A Holzinger 2, AW Flemmer 1
  • 1Perinatalzentrum Großhadern der LMU München, München
  • 2LMU-München, Dr. von Haunersches Kinderspital, München

Hintergrund: Homozygote Defekte im ABCA3-Gen sind mit einer verminderten Surfactant-Funktion assoziiert und äußern sich im letalen Atemnotsyndrom (ANS) des Neugeborenen. Milde Mutationen sind mit chronisch-interstitiellen Lungenerkrankungen assoziiert, bestimmte ABCA3 Haplotypen mit ANS des Frühgeboren. Außerdem wird vermutet, dass Mutationen im ABCA3 Gen mit schweren Verlaufsformen des adulten ANS assoziiert sind. Fragestellung: Führt im Mausmodell eine heterozygot vorliegende Mutation (HZ) im ABCA3-Gen zu einer Veränderung a) der mechanischen Eigenschaften der Lunge und b) der Entzündungsparameter in der BAL im Vergleich zum Wildtyp (WT)? Material und Methode: Vergleich der konventionellen Lungenmechanik (totale Lungenkapazität (TLC), dyn. Compliance und Resistance), Lungenimpedanz (forcierte Oszillation) und Entzündungsparameter (wet/dry-Ratio; Proteingehalt, Zellzahl und Interleukine in der BAL) von weibl., beatmeten, adulten C57Bl6-Mäusen in Abhängigkeit vom ABCA3-Genotyp (HZ vs. WT). Die Parameter wurden bei intubierten Tieren nach Haltung a) in Raumluft (n=35) und b) nach 72h in 95% Sauerstoffumgebung (n=25) untersucht. Die Bestimmung der Entzündungsparameter erfolgte außerdem bei n=31 nicht-beatmeten Tieren der beiden Genotypen aus Raumluft- und Sauerstoffhaltung. Ergebnisse: In Bezug auf die Lungenmechanik und die Entzündungsparameter ergab sich bei den beatmeten Tieren nach Raumlufthaltung kein Unterschied zwischen den beiden Genotypen. Nach Sauerstoffprovokation unterschieden sich die Genotypen in den Werten für die TLC und Newton-Resistance (RN, Tab.). Bei den HZ-Tieren wurden – ohne irgendeine Form der Provokation – signifikant mehr Leukozyten in der bronchoalveolären Lavage nachgewiesen (Hz vs. WT: 310/µl vs. 170/µl, p=0,021). Die Beatmung der in Raumluft gehaltenen Tiere führte bei den HZ zu einem Anstieg des Il-6 (3,04 vs. 2,55pg/ml, p=0,003) und MIP-2 (23,99 vs. 11,19, p=0,007) im Vergleich zum WT. Die wet/dry-Ratio der HZ ist nach Raumluft und Beatmung (5,06 vs. 4,47, p=0,001) sowie nach Sauerstoffhaltung ohne Beatmung (6,01 vs. 4,38, p=0,023) signifikant höher als im WT.

nach O2

p-Wert

min

WT

HZ

TLC

5

66,25 [61,89; 70,62]

72,88 [69,79; 75,96]

0,009

25

60,29 [54,55; 66,04]

86,61 [65,96; 71,26]

0,011

RN

10

0,36 [0,31; 0,42]

0,33 [0,30; 0,37]

0,341

25

0,34 [0,30; 0,38]

0,29 [0,25; 0,33]

0,048

Zusammenfassung: Unprovoziert führt ein heterozygoter Defekt des ABCA3-Gens lediglich zu einer unspezifischen Erhöhung der Leukozytenkonzentration in der BAL. Erst die Provokation durch Beatmung und/oder Sauerstoff resultiert in einem phänotypischen Unterschied der beiden Genotypen in Bezug auf die Lungenmechanik und die sich entwickelnde Entzündungsreaktion. Unsere Ergebnisse unterstützen die Hypothese einer erhöhten Prädisposition heterozygoter Defektträger im ABCA3-Gen für das akute reversible ANS und chronische Lungenerkrankungen im Neugeborenen- und Erwachsenenalter.