Klin Padiatr 2010; 222 - GNPI_FV_65
DOI: 10.1055/s-0030-1261400

Schwere toxische Enzephalopathie nach Überdosierung von N-Acetylcystein bei der Behandlung einer Paracetamol-Intoxikation

A Sotnikova 1, A Entenmann 2, A van Baalen 1, A Rohr 3, M Burdelski 4, U Stephani 1, M Krause 4
  • 1Klinik für Neuropädiatrie, UKSH, Kiel
  • 2Klinik für Kinderkardiologie, UKSH, Kiel
  • 3Klinik für Neuroradiologie, UKSH, Kiel
  • 4Klinik für Allgemeine Pädiatrie, UKSH, Kiel

Einleitung: Die Intoxikation mit Paracetamol gehört zu den häufigsten Vergiftungsnotfällen in Deutschland. N-Acetylcystein (N-ACC) ist ein hochwirksames Antidot zur Behandlung einer Paracetamol-Intoxikation. Fehler bei der Dosierung von N-ACC sind jedoch häufig (33% in einer Studie [1]). Kasuistik: Wir berichten über eine 16 Jahre alte Patientin, die nach Ingestion von 35g Paracetamol (650mg/kg) in suizidaler Absicht, intravenös mit N-ACC behandelt wurde. Aufgrund eines Fehlers bei der Zubereitung der Infusionslösung betrug die applizierte kumulative N-ACC-Dosis 2780mg/kg in 18h. Innerhalb von 24h nach Beginn der Therapie entwickelte die Patientin eine schwere Enzephalopathie und es erfolgte die Verlegung in unser Haus. Die cerebralen MRT-Untersuchungen zeigten im Verlauf die Entwicklung eines ausgeprägten multifokalen zytotoxischen Ödem im Bereich der grauen Substanz und des Marklagers (Abb.1). In der MR-Spektroskopie fanden sich hohe Laktat-Peaks (Abb.2). Die Patientin entwickelte ein schweres neurologisches Residualsyndrom mit Ausfall der kognitiven Funktionen, kortikaler Blindheit und einer spastischen Tetraparese. Diskussion: In der Literatur ist eine letale toxische Enzephalopathie nach N-ACC-Überdosierung vorbeschrieben. Bei der Autopsie fand sich hier das histologische Korrelat einer anoxischen neuronalen Läsion [2]. Unsere Patientin kam zur Aufnahme mit einem Leberversagen und einer schweren Enzephalopathie. Das kurze Zeitfenster zwischen der Pararcetamol-Ingestion und der ausgeprägten Leberschädigung lässt vermuten, dass die Patientin bereits zu einem früheren Zeitpunkt Paracetamol eingenommen hat. Der Einfluss des Leberversagens auf die Enzephalopathie lässt sich damit nicht eindeutig beurteilen. Möglich ist jedoch ein zytotoxischer Effekt des überdosierten N-ACC, beispielsweise durch Beeinflussung des mitochondrialen Stoffwechsels. Dazu passend ist das Muster der cerebralen Schädigung, welches für eine Paracetamol-Intoxikation untypisch ist.

Schlussfolgerung: Korrekt dosiert stellt N-ACC ein sicheres und hochwirksames Mittel zur Behandlung einer Paracetamol-Intoxikation dar. Eine schwere toxische Enzephalopathie kann bei einer Überdosierung von N-ACC auftreten und hat eine ungünstige Prognose. Besondere Sorgfalt sind bei der Dosierung und Überprüfung der vorbereiteten Infusionslösungen notwendig um Zwischenfälle zu vermeiden.

Abb.1: multifokales Hirnödem im MRT

Abb.2: hohe Laktat-Peaks in der MR-Spektroskopie

Literatur:

[1] Hyes BD, Klein-Schwartz W, Dyn S: Frequency of medication errors with intravenous acetylcysteine for acetaminophen overdose. Ann Pharmacother 2008, 42(6) 766–770

[2] Bailey B, Blais R, Letarte A: Status epilepticus after a massive intravenous N-Acetylcysteine overdose leading to intracranial hypertension and death. Ann Emerg Med 44(10) 401–406