Klin Padiatr 2010; 222 - GNPI_FV_59
DOI: 10.1055/s-0030-1261389

Hohe Vasopressin/Copeptin-Spiegel im Nabelschnurblut nach Spontangeburt und Geburtsazidose

S Wellmann 1, J Benzing 2, D Admaty 1, G Cippa 1, R Creutzfeldt 1, E Beinder 3, G Szinnai 2, O Lapaire 4, N Morgenthaler 5, U Haagen 5, C Bührer 6, HU Bucher 1
  • 1Klinik für Neonatologie, UniversitätsSpital Zürich, Zürich, Schweiz
  • 2Universitäts-Kinderspital beider Basel, Basel, Schweiz
  • 3Klinik für Geburtshilfe, UniversitätsSpital Zürich, Zürich, Schweiz
  • 4Universitäts Frauenklinik Basel, Basel, Schweiz
  • 5Research Department, BRAHMS, Hennigsdorf
  • 6Klinik für Neonatologie, Charité, Berlin

Hintergrund: Spiegelbestimmungen von Arginin-Vasopressin (AVP), auch bekannt als anti-diuretisches Hormon (ADH), sind unter klinischen Bedingungen kaum durchführbar (sehr kurze Halbwertszeit). Die Messung des Synthesespaltprodukts Copeptin (C-terminales Ende von Pre-Pro-Vasopressin) erlaubt jedoch eine zuverlässige äquimolare Bestimmung der AVP/ADH Sekretionsrate. Bei gesunden Erwachsenen liegen die Copeptinwerte im Median (M) bei 4pmol/L, die 95. Perzentile (P95) beträgt 17pmol/L. Die höchsten Werte (bis 1000pmol/L) wurden bisher bei Erwachsenen mit schwerstem hämorrhagischem, kardialen oder septischem Schock sowie ischämischem Schlaganfall gemessen. Fragestellung: Welchen Einfluss haben perinatale Faktoren einschließlich der verschiedenen Geburtsmodi auf die AVP/ADH-Sekretion? Material und Methodik: Serumproben von 177 gesunden und überwiegend reifen Neugeborenen (143 venöse Nabelschnurblutproben, davon 117 mit zusätzlich arterieller Nabelschnurblutprobe und 68 mit zusätzlich venöser Blutprobe vom 4. Lebenstag, 34 weitere Proben vom 4. Lebenstag). Quantitative Bestimmung der Copeptinspiegel mittels CT-proAVP-Lumineszenzimmunoassay (LIA, Brahms, Henningsdorf). Statistische Auswertung mit nichtparametrischen Tests (Spearman, Mann-Whitney U, Kruskal-Wallis). Ergebnisse und Diskussion: In den gepaarten Nabelschnurblutproben waren bei enger Korrelation (Rs=0,825; p<0,0001)höhere Copeptinwerte im arteriellen Blut als im venösen Blut zu messen (M 18 vs. 10pmol/L, p<0,001). Geschlecht, intrauterine Wachstumsretardierung, Geburtsgewicht, vorzeitige Wehen und Apgar-Werte zeigten keinen Einfluss auf die Copeptinspiegel. Die höchsten Copeptinwerte (bis 5000pmol/L) fanden sich in Nabelschnurblutproben mit den niedrigsten pH-Werten bzw. dem größten Basendefizit. Bei vaginal entbundenen Kindern lagen die Copeptinwerte rund 500-fach höher (M/P5-P95 arteriell 1610/97–5000pmol/L) als nach Sectio. (8/3–783pmol/L). Bis zum 4. Lebenstag hatten sich alle perinatalen Copeptinerhöhungen zurückgebildet. Schlussfolgerung: Eine vaginale Entbindung bewirkt eine maximale AVP/ADH-Ausschüttung, gemessen an Nabelschnurblut-Copeptinwerten. Dies könnte zur Erklärung beitragen, weshalb vaginal entbundene Kinder postnatal weniger arterielle Hypotonien (AVP/ADH erhöht den Gefäßtonus), Atemstörungen (AVP/ADH stimuliert die Surfactantsekretion) und Dehydratationen (AVP/ADH steigert die renale Wasserrückresorption) aufweisen als Sectio-geborene Kinder.