Klin Padiatr 2010; 222 - HV_68
DOI: 10.1055/s-0030-1261384

Tierexperimentelle Modelle intrauteriner Wachstumsstörungen

J Dötsch 1
  • 1Univ.-Kinderklinik, Köln

Bei den tierexperimentellen Modellen der intrauterinen Wachstumsrestriktion können zwei prinzipielle Gruppen unterschieden werden: natürliche und interventionelle Modelle. Natürlich Modelle wie die Selektion kleinerer Tiere bei Mehrlingswürfen kommen häufiger bei Großtieren wie Schafen zum Einsatz. Vorteil ist der geringere Aufwand, Nachteil die fehlende Kenntnis um die Mechanismen der Wachstumsretardierung bzw. des geringeren Geburtsgewichtes. Daher sind natürliche Modelle seltener anzutreffen. Interventionelle Modelle nutzen Eingriffe, die eine Wachstumsrestriktion nach sich ziehen. Oft lassen sich für diese Situationen humane Analoga aufzeigen. Zu nennen in erster Linie globale oder spezifische Unterernährungsmodelle (humanes Analogon Unterernährung in den Entwicklungsländern), plazentare Ischämiemodelle (Plazentainsuffizienz), medikamentöse Eingriffe wie die Applikation von Glukocorticoiden (Toxischer Medikamenteneinfluss) und die Induktion einer Wachstumsrestriktion durch Hypoxie (Imitation einer Schwangerschaft in Höhenlagen). Wesentlich für die Wahl des adäquaten Modells ist die Fragestellung der Untersuchung. Steht die fetale Programmierung im Vordergrund, sind Modelle, die toxische Einflüsse haben oder riskieren, wie medikamenteninduzierte Wachstumsrestriktion oder Hypoxie bedenklich, da mögliche epigenetische Veränderungen von den predominanten Noxen kaschiert werden. Geeignet für die Untersuchung der fetalen Programmierung sind Ernährungs- und plazentare Ischämiemodelle. Ein häufig genutztes Unterernährungsmodell ist das der Proteinmangelernährung bei Ratten oder Mäusen. Trächtige Muttertiere erhalten bei isokalorischer Diät 8% Protein versus 17% bei den Kontrolltieren. Das Modell ist angelehnt an die Hauptursache der intrauterinen Wachstumsrestriktion in den Entwicklungsländern. Stärker der Ursache der Wachstumsrestriktion in den westlichen Ländern entsprechend ist das Modell der Ligatur der Aa. uterinae an Tag 19 der Trächtigkeit bei Ratten. Infolge dessen kommt es zu einer plazentaren Minderperfusion, so dass das Modell einer humanen Plazentainsuffizienz ähnelt. Interessanterweise sind die resultierenden Programmierungsvorgänge bei beiden Modellen äußerst unterschiedlich. Ein wesentlicher Aspekt der tierexperimentellen Untersuchungen der Wachstumsrestriktion ist das postnatale Milieu, dem die Tiere ausgesetzt sind: die postnatale Alimentation beispielsweise kann determinieren, ob der intrauterin programmierte Phänotyp zur Präsentation kommt oder nicht. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Wahl des richtigen Tiermodells der Wachstumsrestriktion stark von der Fragestellung und den einzusetzenden Methoden abhängt. Die Wahl des falschen Modells wie auch das Ignorieren toxischer und postnatal programmierender Einflüsse kann zu einer vollständig fehlerhaften Interpretation der erhobenen Daten führen.