Klin Padiatr 2010; 222 - GNPI_FV_56
DOI: 10.1055/s-0030-1261382

Organspende: Langzeiteffekt für die trauernde Familie

AB Blaes-Eise 1, T Breidenbach 2
  • 1c/o Universitätskliniken des Saarlandes, Innere Medizin IV, Deutsche Stiftung Organtransplantation, Region Mitte, Homburg/Saar
  • 2Region Mitte, Deutsche Stiftung Organtransplantation, Mainz

Hintergrund:Ärzte und Pflegekräfte erleben die Betreuung von trauernden Angehörigen auf Intensivstationen oft als belastend. Im Kontext der Organspende nimmt die erlebte Belastung für das Behandlungsteam deutlich zu. Vor allem beim Tod eines Kindes ist die Hemmschwelle des Behandlungsteams eine postmortale Organspende in Betracht zu ziehen, hoch. Es besteht die Befürchtung mit der Bitte um Organspende das Leid der trauernden Familie zu vergrößern.

Methodik: Im Zeitraum 2004–2009 wurden in der DSO-Region Mitte (Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland) 329 Angehörige etwa ein Jahr nach der Organspende eines verstorbenen Familienmitgliedes mittels standardisiertem Fragebogen befragt. Ergebnisse: 40,9 Prozent der Angehörigen (n=133) erwarteten die Bitte um Organspende, als im ärztlichen Gespräch der irreversible Ausfall der Hirnfunktionen thematisiert wurde. 45 Angehörige (13,8 Prozent) initiierten die Organspende selbst. Die Ergebnisse bei der Untergruppe Eltern, die ein Kind unter 25 Jahren verloren haben (14,9 Prozent, n=49) unterschieden sich hier nicht. 264 Angehörige (80,2 Prozent) gaben an, dass die Bitte um Organspende (und ihre spätere Zustimmung dazu) die Zeit der Trauer nicht erschwerte. Die Trauer wurde als im Verlust eines nahestehenden Menschen begründet empfunden und nicht in kausalen Zusammenhang mit der Organspende gesehen. Mehr als ein Drittel der Befragten verspürte durch die Organspende eine Erleichterung des Trauerweges (39,2 Prozent, n=129). Trauernde Eltern antworteten hier nach dem gleichen Muster. „Sein Tod war nicht umsonst, er konnte noch anderen helfen“, „Es tröstet mich zu wissen, dass ein Teil von ihr in einem anderen Kind weiterlebt“, sind häufige Äußerungen von Angehörigen. Diskussion: Lebensrettende Organtransplantationen bei Kindern sind ohne die Organspende von verstorbenen Kindern nur in sehr begrenztem Umfang möglich. Das Gespräch mit der Bitte um Organspende gegenüber Eltern, die gerade ein Kind verloren haben, erfordert vom Gesprächsführenden viel Erfahrung, Einfühlungsvermögen und innere Stärke. Die Ergebnisse unserer Angehörigenbefragung sollten pädiatrische Intensivteams ermutigen ihre Zurückhaltung gegenüber trauernden Eltern zu überwinden und bei festgestelltem Hirntod das Thema Organspende in jedem Fall zu thematisieren. Die Bitte um Organspende wird trauernde Angehörige nicht zusätzlich belasten, wenn bestimmte Rahmenbedingungen (Ort, Zeitpunkt, kompetenter Gesprächsführer, stufenweise Aufklärung) eingehalten werden. Die Ergebnisse zeigen außerdem, dass der Zusammenhang von Hirntod und Organspende von medizinischen Laien zunehmend verstanden wird und Informationskampagnen Erfolge erzielen. Über ein Drittel der befragten Familien berichtet rückwirkend von einem positiven, tröstlichen Langzeiteffekt der Organspende für ihren ganz persönlichen Trauerweg.