Klin Padiatr 2010; 222 - GNPI_FV_54
DOI: 10.1055/s-0030-1261379

Lebensqualität, Therapiebeanspruchung und Kosten von Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht <1250g im Vergleich zu Termingeborenen – Eine Untersuchung im Erwachsenenalter

M Baumgardt 1, HU Bucher 1, TD Szucs 2, JC Fauchère 3
  • 1Universitätsspital Zürich, Klinik für Neonatologie, Zürich, Schweiz
  • 2Universität Basel, Institute for Pharmaceutical Medicine, Basel, Schweiz
  • 3Universitätsspital Zürich, Klinik für Neonatologie, Zürich, Schweiz

Hintergrund: Durch verbesserte Therapieoptionen ist in den letzten zwei Jahrzehnten die Mortalität von sehr unreifen Frühgeborenen stark gesunken. Da die Langzeit-Morbidität weitgehend unverändert blieb, ja sogar für sehr unreife Neugeborene in Bezug auf neurosensorische, kognitive Einschränkungen und Lernschwierigkeiten eher anstieg, hat die Beurteilung der Lebensqualität (HRQOL=Health related Quality of life) zur Einschätzung von medizinischen Massnahmen in Patientengruppen mit hohem Risiko für Langzeitschäden stark an Bedeutung gewonnen. Methoden: 52 ehemals Frühgeborene (FG) mit einem Geburtsgewicht unter 1250g (Mittelwerte: GA 29 1/7 SSW, GG 1020g) und 75 termingeborene Kontrollpersonen (TG, gematched nach Geschlecht und Geburtsdatum) der Jahrgänge 1983–1985 (Mittelwerte: GA 40 3/7 SSW, GG 3400g) wurden in diese Studie eingeschlossen. Allen Studienteilnehmer wurden drei Fragebögen zugestellt, welche Fragen zu Bildung, Freundschaften, Partnerschaft, Gesundheit, Gesundheitsverhalten sowie Therapiebeanspruchung beinhalteten. Bei den ehemals Frühgeborenen kam zudem bezüglich der Therapiebeanspruchung die retrospektive Auswertung von Daten hinzu, welche im Alter von 2, 7 und 14 Jahren in Follow-up Untersuchungen erhoben wurden. Die Ermittlung der Therapiekosten beschränkte sich auf die direkten Kosten. Resultate: In der Auswertung der 8 Skalen des SF 36 sowie der psychischen (MCS=Mental Component Summary) als auch physischen Summenskala (PCS=Physical Component Summary) zeigten sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den ehemals Frühgeborenen und der Kontrollgruppe (PCS p=0,74; MCS p=0,29). In beiden Gruppen beanspruchten jeweils mehr als 50% der Probanden keine therapeutische Unterstützung im Laufe ihres bisherigen Lebens. Die Physiotherapie stellte sowohl bei Früh- als auch bei Termingeborenen die häufigste Therapieform dar, gefolgt von Logopädie und Ergotherapie. Die Kostendifferenz für Therapiebeanspruchung zwischen Früh- und Termingeborenen betrug 121,60 EUR pro Person pro Lebensjahr (bezogen auf 23 Jahre). Im Gesundheitsverhalten zeigten sich statistisch signifikante Unterschiede im Experimentierverhalten mit Drogen (Cannabis, LSD, Kokain, Ecstasy) sowie im Sportverhalten. Mehr Termingeborene trieben Sport (>1x Woche) und haben jemals die oben erwähnten Drogen versucht. Schlussfolgerungen: Die Ergebnisse der Auswertung des SF 36 zeigen ehemals Frühgeborene im Alter von 23 Jahren in gutem Gesundheitszustand, welche gleichaltrigen termingeborenen Kontrollpersonen weder in psychischen noch in physischen Aspekten nachstehen. Bei der Inanspruchnahme von Therapien gab es Unterschiede vor allem hinsichtlich der Therapiedauer. Diese Unterschiede spiegeln sich auch in den Kosten wider, die bei der Gruppe der ehemals Frühgeborenen 4-mal höher sind als bei den Kontrollpersonen.