Klin Padiatr 2010; 222 - GNPI_FV_53
DOI: 10.1055/s-0030-1261378

Lebensqualität ehemaliger Frühgeborener – Vergleich von neurologischem Befund und Lebensqualität im Schulalter

R Hentschel 1, S Dossal 1, R Korinthenberg 1, P Franck 1, E Rieger-Fackeldey 1, U Tacke 1
  • 1Universitäts – Kinderklinik, Freiburg

Langzeituntersuchungen ehemaliger Hochrisiko-Frühgeborener sind wichtig für die Einschätzung der Prognose nach belasteter Peripartalperiode, für die Überprüfung von Standards zur Nachuntersuchung und für die Planung weitergehender unterstützender Maßnahmen. Patienten und Methode: Ehemalige Frühgeborene des Geburtsjahrgangs 1999 mit einem Gestationsalter von weniger als 33 SSW, behandelt im Perinatalzentrum der Universität Freiburg. Evaluierung im Alter von 8–9 Jahren. Datenerfassung aus der Krankenakte und einem standardisierten Elternfragebogen mit den „Outcome“-Variablen: Schultyp, Schulleistungen, Verhaltensstörungen, Behinderungen, Fördermassnahmen, geistige Entwicklung, Lebensqualität, sozioökonomischer Status der Familie und weitere Fragen in Analogie zu dem KINDL-Fragebogen zur Lebensqualität von Kindern (Ravens-Sieberer U 1998). Zusätzlich Beurteilung der zwischenzeitlichen neurologischen Untersuchungsbefunde im Hinblick auf ihre prognostische Aussagekraft. Vergleich (1) des neurologischen Entwicklungsstands mit dem Untersuchungsbefund im Alter von 1–3 Jahren und (2) des Ergebnisses des KINDL-Fragebogens mit einer Referenzgruppe (KIGGS-Studie). Statistische Methoden: Chi-Quadrat-Test und schrittweise logistische Regression der Risikofaktoren zur Analyse ihrer Bedeutung für das neurologische und das schulische „outcome“. Ergebnisse: Komplette Datensätze erhältlich für 54 Patienten (93% der Überlebenden), neurologische Nachuntersuchungsbefunde von weiteren 3 Patienten. Mittleres Geburtsgewicht 1144±352g. Entwicklungsstatus normal: 35%, leichte Behinderung: 46%, schwere Behinderung: 11%. Besuch der Regelschule: 83%, Sonderschule 11%. Risikofaktoren für einen abnormen neurologischen Befund mit 1–3 Jahren: pathologischer sonografischer Befund bei Entlassung (OR 33,4), niedriger sozioökonomischer oder Migranten-Status der Eltern (OR 20,9), SGA-Status (OR 17,0), männliches Geschlecht (OR 9,5). Risikofaktoren für schlechte schulische Leistungen: ELBW-Status (OR 514), niedriger sozioökonomischer Status der Eltern (OR 266), abnormer neurologischer Befund mit 1–3 Jahren (OR 16). Gesamt-Lebensqualität, verglichen mit dem Referenzkollektiv normaler Kinder: 76,9 vs. 79,0 Punkte; höhere Werte in den Untergruppen „körperliches Wohlbefinden“ (84,3 vs. 80,5 P.) und „Selbstwertgefühl“ (76,0 vs. 70,8 P.). Diskussion: Die aus anderen Studien bekannte, nicht unerhebliche Rate an bleibenden Behinderungen und die assoziierten Risikofaktoren konnten auch in unserem Kollektiv bestätigt werden. Trotzdem ist die Lebensqualität der ehemaligen VLBW-Frühgeborenen aus der Sicht der Eltern in der Regel nicht eingeschränkt. Ob diese ermutigenden Ergebnisse sich bis ins Erwachsenenalter projizieren und sich dann auch aus der Sicht der ehemaligen Patienten bestätigen lassen ist allerdings unklar.