Klin Padiatr 2010; 222 - GNPI_FV_49
DOI: 10.1055/s-0030-1261374

Outcome von Zwillingsfrühgeborenen – Bedeutung der genetischen Beurteilung der Zygotie im Vergleich zur klinischen Einschätzung

C Härtel 1, L Schulz 1, N von Wurmb-Schwark 2, T Hoehn 3, A Kribs 4, H Küster 5, J Siegel 6, C Wieg 7, E Herting 1, W Göpel 1
  • 1Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, UK-SH, Campus Lübeck, Lübeck
  • 2Institut für Rechtsmedizin, UK-SH, Campus Kiel, Kiel
  • 3Kinderkliniken, Universitäten, Düsseldorf
  • 4Kinderklinik Universitäten, Köln
  • 5Kinderklinik, Ernst-Moritz-Arndt Universität, Greifswald
  • 6Kinderkrankenhaus auf der Bult, Hannover
  • 7Kinderklinik, Klinikum Aschaffenburg, Aschaffenburg

Einleitung: Die steigende Inzidenz der Frühgeburtlichkeit bei Mehrlingsschwangerschaften zieht die Notwendigkeit von populationsbezogenen Daten zu Risiken und Outcome dieser vulnerablen Patientengruppe nach sich. Die Einschätzung der Zygotie der Mehrlinge erfolgt überwiegend nach klinischen Kriterien (Beurteilung Plazenta; gleiches Geschlecht, Diskordanz im Geburtsgewicht als Hinweis für Monozygotie/Monochorionizität). Ziel dieser Studie war die Gegenüberstellung von Outcome-Daten Zwillingsfrühgeborener mit einem Geburtsgewicht <1500g nach klinischer Einschätzung der Zygotie im Vergleich zur exakten genetischen Untersuchung. Methoden: Im Rahmen einer multizentrischen Studie wurden aus einer Gruppe von 2400 Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht <1500g (davon 770 Mehrlinge) 136 gleichgeschlechtliche Zwillingspaare ausgewählt, bei denen die Zygotie (mono- vs. dizygote Zwillingspaare) durch eine genetische Untersuchung zweifelsfrei bestimmt wurde. Pro Kind wurden 220 ante- und postnatale Parameter erhoben, wobei die lokalen Studienärzte nach klinischer Einschätzung den Parameter „Zygotie“ (monozygot/dizygot/unklar) angaben. Ergebnisse: Bei 149 Zwillingen lautete die klinische Einschätzung „unklar“; bei 32/40 (80,0%) genetisch monozygoten und 64/83 (77,3%) genetisch dizygoten Zwillingen wurde die klinische Einschätzung der Zygotie durch die genetische Analyse bestätigt. Es wurde deutlich, dass die klinische Determinierung der Zygotie einem Risiko unterliegt, bestimmte Outcome-Parameter, wie z.B. Beatmung, operationsbedürftigen PDA oder ROP, fehlerhaft zu interpretieren (Tab.1)

Tabelle 1: Outcome von Mehrlingsfrühgeborenen in Abhängigkeit von der Zygotie

BPD – bronchopulmonale Dysplasie, Sepsis – klinische Sepsis mit positiver Blutkultur, ICH – intrazerebrale Hämorrhagie, PVL – periventrikuläre Leukomalazie, NEC – nekrotisierende Enterokolitis, PDA – persistierender Ductus arteriosus, ROP – Frühgeborenenretinopathie.

Parameter

Klinische Einschätzung der Zygotie

p

Genetische Determinierung

p

Monozygot
n=40

Dizygot
n=83

Unbekannt
n=149

Monozygot
n=136

Dizygot
n=136

BPD (%)

10,0

14,5

8,7

0,4

9,6

11,8

0,7

Beatmung (%)

57,5

55,4

40,3

0,03

53,7

41,2

0,05

Sepsis (%)

10,0

16,9

12,8

0,52

11,8

15,4

0,4

ICH (%)

20,0

28,9

16,1

0,07

21,3

19,9

0,88

PVL (%)

5,0

6,0

2,0

0,7

3,7

3,7

1

OP NEC (%)

2,5

1,2

1,3

0,84

2,2

0,7

0,62

OP PDA (%)

17,5

6,0

4,7

0,017

8,8

5,1

0,34

OP ROP (%)

7,5

7,2

1,3

0,04

2,9

5,1

0,5

Tod (%)

2,5

1,2

1,3

0,84

2,9

0

0,12

Schlussfolgerungen: Die genetische Bestimmung der Zygotie gleichgeschlechtlicher Zwillingspaare wird langfristig die Datenqualität populationsbezogener Erfassungen erhöhen und damit eine genauere prognostische Abschätzung der Mortalität und Langzeitmorbidität von mono- und dizygoten Zwillingen ermöglichen.