Klin Padiatr 2010; 222 - HV_44
DOI: 10.1055/s-0030-1261349

Stickstoffmonoxid (NO) bei RDS und BPD des Frühgeborenen

H Hummler 1
  • 1Sektion Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Ulm, Ulm

Inhalativ verabreichtes NO (iNO) aktiviert die Guanylatcyclase und führt über eine höhere Konzentration von cGMP zur Relaxation der pulmonalen glatten Gefäßmuskulatur. Dies führt bei Lungenerkrankungen mit Ventilations/Perfusions-Verteilungsstörungen durch eine Verbesserung der Perfusion belüfteter Areale zu einem verbesserten Ventilations-Perfusion-Match und damit zu einem besseren pulmonalen Gasaustausch. Zusätzlich werden bei noch offenem Ductus arteriosus und Foramen ovale extrapulmonale Rechts-Links-Shunts reduziert. Bei reifen Neugeborenen mit pulmonaler Hypertension wird durch die Anwendung von iNO das Risiko für Tod oder Notwendigkeit von ECMO reduziert (RR [95% CI] 0,65 [0,55–0,76]). Studien zur inhalativen Anwendung von NO bei Frühgeborenen mit schwerem Atemversagen und hohem Risiko für die Entwicklung einer Bronchopulmonalen Dysplasie (BPD) konnten keinen Effekt auf die Mortalität oder BPD zeigen. Zwei Studien zur prophylaktischen Routineanwendung von iNO sprechen jedoch für einen positiven Effekt bzgl. Mortalität mit einer „number needed to treat“ (NNT) von 17 bzw. bzgl. intraventrikulärer Blutung (IVH) Grad 3–4 oder periventrikulärer Leukomalazie (NNT=14). Bei einer Studie waren sogar relevante positive Effekte bei der entwicklungsneurologischen Nachuntersuchung nachweisbar (Mestan et al. N Engl J Med 2008). Bei der kürzlich durchgeführten EUNO-Studie zur prophylaktischen iNO-Anwendung konnten diese Beobachtungen jedoch nicht bestätigt werden. Bei der EUNO-Studie wurde an 800 Frühgeborenen mit einem Gestationsalter von 24+0 bis 28+6 SSW, die wegen Atemversagen mit CPAP oder mit Intubation/Beatmung behandelt wurden, eingeschlossen. Die Dosierung von iNO betrug 5 ppm iNO. Die Therapiedauer betrug mindestens 1 Woche bzw. solange eine Unterstützung durch Beatmung oder CPAP notwendig war, jedoch nicht länger als 21 Tage. Die Rate überlebender Kinder ohne BPD als primäres Zielkriterium war mit 65,3% (iNO) bzw. 65,5% (Placebo) praktisch identisch. Bei klinisch relevanten sekundären Zielkriterien (z.B. BPD, IVH, Beatmungs-, Hospitalisierungsdauer) wurde ebenfalls kein Unterschied zwischen den Gruppen gefunden. Möglicherweise hatte iNO bei dieser Studie keinen protektiven Effekt, weil die Rate überlebender Kinder ohne BPD bereits in der Kontrollgruppe deutlich höher als in den US-Studien war. Neuere experimentelle Studien sprechen dafür, dass auch eine kurzzeitige Anwendung eines FiO2=1,0 bei der Erstversorgung nach der Geburt das Relaxationsverhalten der pulmonalen Gefäßmuskulatur mit reduzierten Effektivität von iNO ungünstig beeinflusst (Lakshminrusimha et al. Pediatr Res 2006). Vermutlich spielt eine Höherregulierung der Phosphodiesterase-5 Aktivität eine Rolle, die cAMP inaktiviert und dadurch die Vasorelaxierung beeinträchtigen kann. Diese Beobachtungen sprechen neben der bekannten Sauerstofftoxizität dafür, dass Sauerstoff bei der Erstversorgung von Früh- und Neugeborenen im Kreissaal rational dosiert eingesetzt werden sollte.