Klin Padiatr 2010; 222 - GNPI_FV_32
DOI: 10.1055/s-0030-1261338

Stressreaktionen und zerebrale Oxygenierung während venöser und kapillärer Blutentnahmen bei sehr kleinen Frühgeborenen

N Heß 1, BM Hüning 2, C Roll 1
  • 1Vestische Kinderklinik, Datteln
  • 2Klinik für Kinder und Jugendmedizin der Universität, Essen

Fragestellung: Es ist bekannt, dass bei reifen Neugeborenen venöse Blutentnahmen (BE) weniger Schmerzreaktionen auslösen und weniger Stress induzieren als kapilläre Blutentnahmen. Ob dies auch für Frühgeborene zutrifft, ist nicht bekannt. Ziel dieser Studie war es, die Effekte venöser und kapillärer Blutentnahmen bei Frühgeborenen zu untersuchen und zu vergleichen. Methodik: Bei 20 Frühgeborenen [Geburtsgewicht 355–1470g, Median 855g; Gestationsalter 24–32 Wochen, Median 28 Wochen] wurden jeweils vor, während und nach einer venösen und einer kapillären Blutentnahme folgende Parameter kontinuierlich erfasst: Herzfrequenz, arterielle Sauerstoffsättigung (Pulsoxymeter), tcPCO2, Blutdruck und die mit Nahinfrarotspektroskopie gemessene zerebrale Oxygenierung (TOI=tissue oxygenation index). Die zerebrale fraktionelle Sauerstoffextraktion wurde berechnet. Mittels Friedman- und Wilcoxon-Test wurden Veränderungen der Messparameter im Vergleich zu den Ausgangswerten analysiert und die Effekte beider Blutentnahmeformen verglichen. Ergebnisse: Die Herzfrequenz stieg während der venösen und der kapillären Blutentnahme signifikant an (venös vor: 158 bpm, 116–184 [Median, Range]; während: 173 bpm, 122–195; p<0,001; kapillär vor: 156 bpm, 122–200; während: 168 bpm, 125–199; p<0,001). Die arterielle Sauerstoffsättigung fiel nur während der venösen Blutentnahme signifikant ab (vor: 93%, 84–100, während: 92%, 63–97; p<0,05). TcPCO2 und Blutdruck änderten sich nicht signifikant. Während der venösen und der kapillären Blutentnahme nahm die zerebrale Oxygenierung (TOI) signifikant ab (venös vor: 64%, 45–99, während: 57%, 47–95; p<0,01; kapillär vor: 68%, 51–99 während: 63%, 47–99; p<0,01). Dieser Abfall war bei der venösen Blutentnahmen signifikant größer als bei der kapillären (p<0,05). Die zerebrale fraktionelle Sauerstoffextraktion stieg nur während der venösen Blutentnahme signifikant an (vor: 0,31 [Median], während 0,35; p<0,05). Schlussfolgerung: Sowohl venöse als auch kapilläre Blutentnahmen induzieren Stressreaktionen beim Frühgeborenen. Insbesondere zeigt sich dies in einer signifikanten Abnahme der zerebralen Oxygenierung. Im Gegensatz zum reifen Neugeborenen zeigen Frühgeborene stärkere Reaktionen auf eine venöse als auf eine kapilläre Blutentnahme.