Klin Padiatr 2010; 222 - HV_38
DOI: 10.1055/s-0030-1261333

Therapie II: Surfactant Behandlung – Aktuelle Bestandsaufnahme

E Herting 1
  • 1Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, Lübeck

Das Atemnot Frühgeborener (RDS=respiratory distress syndrome) ist durch einen Mangel an oberflächenaktiven Substanzen (Surfactant=surface Active agent) bedingt. Die Einführung der Surfactant-Therapie des RDS vor mittlerweile 30 Jahren hat die Überlebenschancen kleiner Frühgeborener mit Atemnotsyndrom revolutioniert. Mittlerweile wurden Millionen Frühgeborene mit Surfactant behandelt. Die Behandlung mit natürlichen modifizierten Surfactant-Präparaten reduziert dabei sowohl die Mortalität als auch die Pneumothoraxrate signifikant. Die aus Tierlungen gewonnenen Präparate sind den bisherigen synthetischen Surfactant-Präparationen überlegen. Neue Präparate befinden sich zurzeit in der Entwicklung. Einige Protein/Lipidgemische, wie etwa das SP-B-mimetische Präparat KL4-Surfactant (Surfaxin®) oder rekombinanter SP-C (rSP-C)-Surfactant (Venticute®), befinden sich in der Erprobung. Bezüglich des Einsatzes von Surfaxin® in der Neonatologie gab es zuletzt Probleme mit der Standardisierung/der Herstellung einer gebrauchsfertigen Suspension, wozu dieses Präparat zunächst erwärmt werden muss. Bezüglich von Venticute® liegen bisher nur Daten bei erwachsenen Patienten mit ARDS vor. Bei unreifen Frühgeborenen sollte eine Behandlung innerhalb der ersten -Lebensstunde, d.h. prophylaktisch bzw. früh-therapeutisch erfolgen, sobald steigender O2Bedarf die Entwicklung eines RDS anzeigt. Werden die Frühgeborenen zunächst im Kreißsaal mit nasalem CPAP versorgt, so wird in laufenden Studien die Applikation von Surfactant bei spontan atmenden Frühgeborenen mittels Magensonde erprobt. Die bisherigen Versuche einer Surfactant-Verneblung verliefen wenig erfolgreich. Neue Präparationen/neue technische Möglichkeiten der Verneblung befinden sich in der Erprobung. Eine zu langsame Surfactantapplikation (z.B. Surfactantinfusion über 30–60 Min) führt zu einer Fehlverteilung von Surfactant und zu einem Wirksamkeitsverlust. Eine Injektion bei laufender Beatmung über 1 bis 3 Min, etwa über einen Medikamentenkanal im Tubus, zeigt eine ähnliche Wirksamkeit wie die Bolusinjektion. Als Standarddosis für die Behandlung des RDS wird mittlerweile die intratracheale Gabe von 100mg/kg Körpergewicht (KG) angesehen. Bei persistierendem Sauerstoffbedarf sind erneute Behandlungen erforderlich. Eine höhere Dosis (200mg/kg KG) kann bei fortgeschrittenem RDS oder beim Vorliegen eines sekundären Surfactantmangels, etwa bei einem Mekoniumaspirationssyndrom oder bei einer konnatalen Pneumonie von Vorteil sein. Die Lavage mit verdünnten Surfactantpräprationen ist hierbei eine theoretisch und tierexperimentell erfolgreiche Applikationsform. Kontrollierte klinische Studien liegen zu dieser Thematik allerdings nicht vor. Potentielle Nebenwirkungen der Lavage sind zu bedenken. Fazit: Auch 30 Jahre nach der Erstbeschreibung der Surfactantsubstitution sind die aus Tierlungen gewonnenen Surfactant-Präparate nach wie vor ein nicht verzichtbarer Bestandteil der neonatologischen Intensivbehandlung. Neue Applikationsformen befinden sich in der Erprobung. Die Ergebnisse laufender Studien müssen zunächst abgewartet werden, bevor der bisherige „Goldstandard“ der Surfactant-Bolus-Applikation beim intubierten Neugeborenen verlassen werden kann.

Literatur:

Aktuelle Leitlinie (2/2009) AWMF-online:

Gortner L, Herting E: Surfactanttherapie des Atemnotsyndroms Frühgeborener (RDS)

http://www.uni-duesseldorf.de/AWMF/ll/024–021.htm