Klin Padiatr 2010; 222 - GNPI_FV_21
DOI: 10.1055/s-0030-1261322

Dialyse im Neugeborenenalter: Eine lebenserhaltende Maßnahme mit günstiger Langzeitprognose

C Dau 1, J Meyburg 2, P Ruef 1, J Poeschl 1, F Schaefer 3
  • 1Neonatologie, Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Universität Heidelberg, Heidelberg
  • 2Allgemeinpädiatrie, Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Universität Heidelberg, Heidelberg
  • 3Sektion für Pädiatrische Nephrologie, Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Universität Heidelberg, Heidelberg

Hintergrund: Blutreinigungsverfahren bei Neugeborenen sind eine etablierte Therapieoption. Dennoch existieren wenige Berichte über Langzeitüberleben und neurokognitive Entwicklung nach neonataler Dialyse. Methodik: Wir untersuchten retrospektiv den Verlauf von Kindern, die zwischen 1992 und 2009 an unserem Zentrum in der Neugeborenenperiode einer Dialyse unterzogen wurden. Der Nachbeobachtungszeitraum der überlebenden Kinder lag zwischen 1 Monat und 17 Jahren. Die psychomotorische Entwicklung wurde anhand sequentieller Erhebung des neurokognitiven Status und des Entwicklungstestes Bayley II of Mental Developement im Alter von 2 Jahren erhoben. Ergebnisse: Insgesamt wurden 49 Neugeborene (NG) der 31+1 bis 41+6 SSW dialysiert. Die zugrundeliegenden Erkrankungen umfassten Herzfehlbildungen (n=16), Fehlbildungen des Harntraktes und der Nieren (n=14), hyperammonämische Krisen bei Stoffwechseldefekten (n=14), sowie bilaterale Nierenvenenthrombose (n=2), Multiorganversagen bei perinataler Asphyxie oder Sepsis (n=2) und unklares Leberversagen (n=1). Das Körpergewicht lag zwischen 1355g und 4300g. Die nephrologischen Patienten hatten eine signifikant geringere Köperlänge (47 vs. 50cm; p<0,009) und niedrigeren 5-Min.-APGAR (8 vs. 9,5; p=0,002) gegenüber Kindern mit kardialer oder Stoffwechselerkrankung. Die Peritonealdialyse (PD) wurde primär bei 29, ein kontinuierliches extrakorporales Verfahren bei 18, sowie beide Verfahren bei 2 Neonaten eingesetzt. Bei allen war eine effektive Detoxikation und Flüssigkeitskontrolle zu verzeichnen. Kein Kind verstarb an den Komplikationen der Dialysetherapie. Nur 2 der 16 NG mit Herzfehler überlebten das Neugeborenenalter. Hingegen überlebten 15 der 18 Kinder mit akutem Nierenversagen, sowie 13 der 15 Neonaten mit Hyperammonämie. Eine chronische Niereninsuffizienz zeigte sich bei allen Kindern mit renaler Ursache, die bei 10 eine langfristige PD notwendig machte. Davon konnten bisher 8 NG erfolgreich transplantiert werden. 3 der überlebenden NG mit Stoffwechseldefekt wurden lebertransplantiert oder bekamen Leberzell-Transfusionen. Die Mehrzahl der Kinder (14 von 15) mit akutem Nierenversagen zeigte eine normale oder nur geringfügig verzögerte psychomotorische Entwicklung. Dagegen wiesen 8 von 12 nachuntersuchten Patienten nach neonataler hyperammonämischer Krise eine deutliche Entwicklungsretardierung auf (Bayley Scale zwischen <50 und 66). Zusammenfassung: Für dialysepflichtige Neonaten mit renaler Erkrankung besteht eine sehr gute Prognose bezüglich des Überlebens und der Entwicklung. Bei Neugeborenen mit einer hyperammonämischen Krise ist die sofortige effektive Detoxikation für das zukünftige psychomotorische Outcome entscheidend. Daher ist bei intrauterin bekannten schweren Nierenfehlbildungen und Stoffwechseldefekten die Entbindung an einem Perinatalzentrum Level 1 mit angeschlossener Kinderdialyse überlebenswichtig.