Klin Padiatr 2010; 222 - GNPI_FV_58
DOI: 10.1055/s-0030-1261319

Häufigkeit plötzlicher Todesfälle und schwerer lebensbedrohlicher Ereignisse am 1. Lebenstag bei initial gut adaptierten Reifgeborenen

A Poets 1, R Steinfeldt 1, CF Poets 1
  • 1Neonatologie, Universitätsklinikum Tübingen, Tübingen

Hintergrund: Die Häufigkeit des plötzlichen Kindstodes (sudden infant death, SID) ist in den letzten Jahren zurückgegangen. Dies hängt v.a. mit der Aufklärung der Bevölkerung über vermeidbare Risikofaktoren wie Bauchlage und Überwärmung zusammen. Die meisten Kinder versterben im Alter von zwei bis vier Monaten. Es gibt jedoch auch Fallberichte von plötzlichen unerwarteten Todesfällen oder schweren lebensbedrohlichen Ereignissen am 1. Lebenstag [1]. Zur Häufigkeit solcher Ereignisse in Deutschland liegen bislang jedoch keine Daten vor. Fragestellung: Wie häufig sind plötzliche Todesfälle und schwere lebensbedrohliche Ereignisse bei initial gut adaptierten Reifgeborenen am 1. Lebenstag in Deutschland? Material und Methode: Im Rahmen der ESPED-Erhebung sollten im Jahr 2009 alle Kinderkliniken Deutschlands über monatliche Meldekarten folgende Ereignisse melden: Plötzliche Todesfälle und schwere lebensbedrohliche Ereignisse unklarer Ursache am 1. Lebenstag bei Reifgeborenen nach initial guter Adaptation (10 Minuten-APGAR mind. 8). Ein schweres lebensbedrohliches Ereignis war definiert als akuter Zyanose- oder Blässezustand mit Bewußtlosigkeit, der einer Beutelventilation, Intubation und/oder Herzdruckmassage bedurfte. Die meldende Klinik erhielt daraufhin einen anonymisierten Fragebogen zu kindlichen und mütterlichen Daten und den Umständen des Ereignisses. Ergebnisse und Diskussion: Es erreichten uns 42 Meldungen, von denen mindestens 17 unsere Einschlusskriterien erfüllten (von drei Fallmeldungen stand der Fragebogen zum Zeitpunkt der Abstrakteinreichung noch aus). 14 der 17 Kinder waren vaginal geboren worden, bei 8 der 17 Kinder trat das Ereignis innerhalb der ersten 1 1/2h nach Geburt ein. Sieben der 17 Kinder starben, von den restlichen zehn wurden fünf bei Entlassung aus der Klinik als neurologisch auffällig beschrieben (von 2 fehlt noch der Befund). Zusätzlich wurden 4 Frühgeborene gemeldet, die alle Einschlusskriterien bis auf die Frühgeburtlichkeit erfüllten, sowie drei Reifgeborene, welche sich allein durch Stimulation und z.T. Absaugen erholten. Es ergeben sich folgende Fragen: Könnte die postnatale kindliche und mütterliche Erschöpfung ein kausaler Faktor bei solchen Ereignissen sein? Sollten Neugeborene insbesondere in den ersten 2 Stunden nach Geburt besser überwacht werden? Weisen fast reife Kinder ein gleich hohes oder sogar erhöhtes Risiko für solche Ereignisse auf? Diese Fragen sowie mögliche Risikofaktoren möchten wir durch eine Fortführung der Studie im Jahr 2010 versuchen zu klären. Schlussfolgerung: Auch gut adaptierte Reifgeborene sollten am 1. Lebenstag und insbesondere in den ersten Lebensstunden gut überwacht werden, um derartige Ereignisse möglichst zu vermeiden.

1. Branger B, Savagner C, Winder N. Eleven cases of early neonatal sudden death or near death of full term and healthy neonates in maternity wards. J Gynecol Obstet Biol Reprod (Paris) 2007; 36:671–9