Klin Padiatr 2010; 222 - DGPI_FV_8
DOI: 10.1055/s-0030-1261308

Oral verabreichtes Colistin verhindert nicht die Kolonisation mit Extended-spectrum beta-lactamase (ESBL) produzierenden Enterobakterien bei Patienten einer Neonatalen Intensivstation

V Strenger 1, T Gschließer 1, G Zarfl 2, A Grisold 2, G Feierl 2, L Masoud 2, B Resch 1, W Müller 1, B Urlesberger 1
  • 1Univ. Klinik f. Kinder- und Jugendheilkunde, Medizinische Universität Graz, Österreich, Graz, Österreich
  • 2Institut f. Hygiene, Mikrobiologie und Umweltmedizin, Medizinische Universität Graz, Österreich, Graz, Österreich

Hintergrund: Kolonisation und Infektion mit Extended-spectrum beta-lactamase produzierenden Enterobakterien (ESBL-E.) stellen ein zunehmendes Problem an Neonatalen Intensivstationen (NICU) dar. An der NICU der Medizinischen Universität Graz gab es in den letzten Jahren mehrere Ausbrüche mit ESBL-E. Die mit ESBL-E. assoziierte Resistenzproblematik beschränkt die in Frage kommenden Antibiotika. Colistin gilt als effektiv in der Behandlung von Infektionen mit multiresistenten Enterobakterien wie auch in der selektiven digestiven Dekontamination (SDD). Methoden: Als Prophylaxe der nekrotisierenden Enterocolitis (NEC) erhalten alle früh- und reifgeborenen Neugeborenen, welche an der NICU der Medizinischen Universität Graz stationär sind, Gentamycin (7mg/kg/d p.o. alle 12h), Nystatin (10.000 IU/kg p.o. alle 6h) und eine probiotische Formulierung (Lactobacillus Rhamnosus GG 1·109 CFU p.o.). Ein Screening auf das Vorkommen von intestinaler Kolonisation mit ESBL-E. erfolgt routinemäßig 2 mal pro Woche. ESBL-E. besiedelte Patienten werden umgehend kohortiert. Von Mai 2005 bis September 2007 wurde während ESBL-E. Ausbrüchen als NEC-Prophylaxe statt Gentamycin Colistin (8mg/kg/d p.o.) verabreicht.

Wir analysierten retrospektiv die Daten aller Neugeborenen, welche zwischen Mai 2005 bis September 2007 mit ESBL-E. besiedelt wurden, in Bezug auf die verabreichte NEC-Prophylaxe. Zur Bestimmung der Klonalität wurde die genetische Verwandtschaft der isolierten ESBL-E. Stämme mittels repPCR bestimmt. Ergebnisse: Im Beobachtungszeitraum wurden insgesamt 3 ESBL-E. Ausbrüche beobachtet. 30 (2,02%) von 1488 hospitalisierten Neugeborenen wurden mit ESBL-E. (Klebsiella pneumoniae, ESBL-Kp, n=22; Klebsiella oxytoca, ESBL-Ko, n=8) intestinal besiedelt. 12 von 22 Patienten mit ESBL-Kp Kolonisation und 1 von 8 Patienten mit ESBL-Ko Kolonisation erhielten zum Zeitpunkt der ESBL-E. Besiedelung Colistin p.o. Dabei wurden sowohl Colistin sensible als auch Colistin resistente Stämme nachgewiesen. Es wurden vier verschiedene Klone von ESBL-Kp und 2 verschiedene Klone von ESBL-Ko unterschieden. Diskussion: Trotz oraler Verabreichung von Colistin während Ausbrüchen von intestinalen ESBL-E. Besiedelungen wurden Besiedelungen weiterer Patienten mit ESBL-E. beobachtet. Dabei zeigte die genetische Analyse einen hohen Anteil an Patient-zu-Patient-Übertragungen. Daher waren Patienten der Colistin-Gruppe einem höheren Risiko einer nosokomialen Übertragung ausgesetzt, da Colistin nur während der Ausbrüche verabreicht wurde. Weder Gentamycin noch Colistin können – oral verabreicht – eine Besiedelung mit ESBL-E. verhindern. Vor dem Hintergrund des zunehmenden Auftretens von ESBL-E. muss die Wirksamkeit von Colistin als SDD hinterfragt und in weiteren Studien untersucht werden.