Klin Padiatr 2010; 222 - HV_7
DOI: 10.1055/s-0030-1261290

Keim-Wirtsinteraktion am Beispiel der B-Streptokokken

R Berner 1
  • 1Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg

Gruppe B Streptokokken (GBS) sind nach wie vor der häufigste Sepsiserreger im Neugeborenenalter mit einer Inzidenz von etwa 0,5 pro 1000 Lebendgeborener und einer Letalität von etwa 5% in Deutschland. Wesentliche Elemente der neonatalen GBS-Sepsis sind die ausgeprägte Inflammationsreaktion sowie die häufig begleitend zu beobachtende Neutropenie sowie eine verzögerte Erregerelimination. GBS interagieren über teilweise bekannte, teilweise noch unbekannte Mechanismen mit verschiedenen Kompartimenten des angeborenen Immunsystems („innate immunity“), zu denen insbesondere das Monozyten/Makrophagen-System sowie die neutrophilen Granulozyten gehören. Die Aktivierung von Monozyten/Makrophagen durch GBS erfolgt überwiegend über sogenannte „Pattern Recognition Receptors (PRRs)“. Zu diesen Rezeptoren gehören unter anderem die bekannten „Toll-like“ Rezeptoren (TLR), die eine Schlüsselrolle in der Induktion der Immun- und Inflammationsreaktion spielen. Für die TLR-vermittelte intrazelluläre Signaltransduktion haben neben Elementen wie der Interleukin-1 Rezeptor-Assoziierten Kinase-4 (IRAK 4) insbesondere das Adaptermoleküle MyD88 eine entscheidende Funktion. GBS induzieren aufgrund der TLR-vermittelten intrazellulären Signaltransduktion eine drastische Translokation des nukleären Transkriptionsfaktors NF-kappa B, eine enorme Sekretion proinflammatorischer Zytokine sowie die Bildung von Stickstoffoxid (NO). Als immunaktivierendes Prinzip des Erregers sind in Analogie zu anderen grampositiven Erregern a priori insbesondere Bestandteile der grampositiven Bakterienzellwand anzunehmen, zu denen Polysaccharide, Peptidoglykan und Lipoteichonsäuren gehören. Neuere Untersuchungen haben allerdings nachweisen können, dass es keine dieser Komponenten zu sein scheint, die für die GBS-spezifische exzessive Immunaktivierung verantwortlich ist. Sie ist offensichtlich unmittelbar auf ein von GBS produziertes lösliches Lipoprotein zurückzuführen. Die inflammatorische Aktivierung durch dieses Lipoprotein wird ebenfalls vermittelt durch verschiedene PRR; man nimmt an, dass CD14, TLR2 und TLR6 als Korezeptoren für den Lipoprotein-Liganden fungieren. Die komplexe Interaktion zwischen Erreger und Wirt lässt sich am Beispiel der neonatalen Sepsis durch GBS exemplarisch darstellen. Neben erregertypischen Virulenzfaktoren scheinen für diese Interaktion auch stammspezifische Merkmale von großer Bedeutung zu sein. Auf Wirtsseite scheint die Unreife des neonatalen Immunsystem eine besondere Suszeptibilität zu begründen, für die heute immer besser verstandene Mechanismen der angeborenen Immunität eine entscheidende Rolle spielen. Die Tatsache, dass ältere Menschen offensichtlich eine ähnliche Suszeptibilität für GBS wie das Neugeborene aufweisen, deutet daraufhin, dass die Seneszenz des Immunsytems ähnliche Schwachstellen offenlegt, wie sie am Anfang des Lebens eine Rolle spielen.