Klin Padiatr 2010; 222 - GNPI_FV_3
DOI: 10.1055/s-0030-1261287

Früherkennung der Late Onset – Sepsis mittels integrativer Software?

A Schwalm 1, G Hillebrand 1, D Singer 1
  • 1Sektion Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg

Hintergrund: Die Früherkennung der Late Onset – Sepsis bei Frühgeborenen stellt auch heute noch eine große Herausforderung auf neonatologischen Stationen dar; trotz Einführung sensitiver Inflammationsmarker bleibt der subjektive Eindruck erfahrener Intensivschwestern und -pfleger eines der wichtigsten Frühwarnzeichen. Hier setzt eine neue, kommerziell verfügbare, „selbstlernende“ Software an, die anhand der kontinuierlichen Integration verschiedener, offline eingegebener Vitalparameter den individuellen Normalzustand der Frühgeborenen erfasst, Abweichungen erkennt und diese in Form eines „S(epsis)-Faktors“ anzeigt. Fragestellung: In einem retrospektiven Anwendungsversuch sollte geprüft werden, inwieweit mittels dieser Software eine Objektivierung der klinischen Infektionserkennung möglich wäre. Material und Methoden: Aus den Krankenakten von 11 Frühgeborenen (Gestationsalter 24+6 bis 30+4 SSW, Median 27+1 SSW; Geburtsgewichte 530 bis 1403g, Median 1061g) wurden die von der Software RALIS (Integralis Ltd., Rehovot, Israel) vorgesehenen Parameter (Herzfrequenz, Atemfrequenz, Körpergewicht, Körpertemperatur, Bradykardien ja/nein, Sättigungsabfälle ja/nein) über Zeiträume von 11 bis 41 (Median 18) Tagen in 2- bis 6-stündigen Intervallen erfasst und die angezeigten S-Faktoren mit den nachgewiesenen Sepsisepisoden (mit positiver Blutkultur) verglichen. Ergebnisse und Diskussion: Bei 9 von 11 Patienten wären von der Software eine oder mehrere Sepsisepisoden vorhergesagt worden, obwohl nur bei 4 Patienten eine nachgewiesene Infektion vorgelegen hatte. Umgekehrt wären 2 der 4 nachgewiesenen Sepsisepisoden von der Software nicht oder zu spät erkannt worden. Insgesamt erwies sich das Programm als übersensitiv gegenüber jeglichen Veränderungen der Vitalparameter und/oder ihrer Dokumentation (z.B. vor und nach Behandlung eines persistierenden Ductus arteriosus, vor und nach Verlegung von der Intensiv- auf die Normalstation), aber als zu wenig spezifisch für Infektionen. Dies steht im Widerspruch zu positiven Erfahrungen anderer Kliniken und könnte durch die jeweiligen Dokumentationsgepflogenheiten, den klinikspezifischen Antibiotikagebrauch oder den retrospektiven Untersuchungsansatz mitbedingt sein. Schlussfolgerung: Einer integrativen Software, die den „pflegerischen Blick“ objektiviert, könnte gerade auf größeren neonatologischen (Intensiv)Einheiten eine nützliche Frühwarnfunktion zukommen. Die derzeit verfügbare Version bedarf jedoch vor Erlangung der Anwendungsreife weiterer programmtechnischer Anpassungen und klinischer Validierungen in einem prospektiven Ansatz.