Pädiatrie up2date 2011; 6(3): 295-310
DOI: 10.1055/s-0030-1256725
Entwicklung

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Asperger-Syndrom

Ronnie  Gundelfinger
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Publication Date:
12 September 2011 (online)

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Einleitung

Fast gleichzeitig publizierten Leo Kanner 1943 [1] und Hans Asperger 1944 [2] ihre Arbeiten über Kinder mit autistischer Störung. Während Kanners Arbeit rasch international bekannt wurde, war die Untersuchung von Asperger über 40 Jahre lang nur einem deutschsprachigen Expertenkreis bekannt. Das Bild der autistischen Störung in der Fachwelt und der Öffentlichkeit entsprach dem frühkindlichen Autismus, manchmal auch Kanner-Autismus genannt: Kinder mit einer schweren Beeinträchtigung der Interaktion und Kommunikation, oft ohne funktionale Sprache, ohne erkennbare Beziehungen außer zu ihren engsten Bezugspersonen, ohne Möglichkeiten zu einer selbstständigen Alltagsbewältigung, geistig behindert.

Die Arbeit von Asperger wurde erst 1981 in England bekannt [3], stieß dann aber auf großes Interesse. Das Störungsbild wurde ihm zu Ehren „Asperger-Syndrom” (AS) genannt und fand 1992 Aufnahme in das Diagnose-System der WHO (ICD-10). Die Öffentlichkeit sah im Film „Rain Man”, dass es hochbegabte Menschen mit autistischer Störung gibt.

Abb. 1 Kindern mit Asperger-Syndrom zeigen eine beeinträchtigte Kommunikation und Interaktion mit anderen Menschen – Grundlage für Konflikte bereits im Kindesalter. Quelle: Fotolia.

Hans Asperger

„Die Natur dieser Kinder offenbart sich am deutlichsten in ihrem Verhalten anderen Menschen gegenüber. In der Tat, ihr Verhalten in einer Gruppe ist das klarste Zeichen für ihre Behinderung und die Ursache für Konflikte von frühester Kindheit an.”

Das Konzept der autistischen Störungen hat sich in den letzten 30 Jahren stark verändert. Man erkannte, dass Kinder mit frühkindlichem Autismus und Kinder mit Asperger-Syndrom zur gleichen Störungsgruppe gehören, die als „Tiefgreifende Entwicklungsstörungen” (im englischen Sprachraum „pervasive developmental disorders”; PDD) bezeichnet wurden (Abb.[1]).

Ziel dieses Artikels ist es, Pädiatern aktuelle Konzepte zu autistischen Störungen, insbesondere zur Diagnose und Behandlung zu vermitteln. Meiner Meinung als Kinder- und Jugendpsychiater nach gehört die Autismus-Diagnose in die Hand von Kinderpsychologen und -psychiatern, die über spezielle Erfahrungen im Autismusbereich verfügen und in der Regel in spezialisierten Praxen oder Zentren arbeiten. Der Pädiater ist aber in vielen Fällen die erste Anlaufstation besorgter Eltern. Er kann einen Verdacht der Eltern aufnehmen oder selbst eine Hypothese entwickeln und diese durch eine gezielte Befragung oder den Einsatz eines Screening-Fragebogens weiter erhärten. Dann wird er in den meisten Fällen das Kind an eine Autismus-Fachstelle weiterverweisen.

Literatur

Dr. med. Ronnie Gundelfinger

Zentrum für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universität Zürich

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