Krankenhaushygiene up2date 2011; 6(1): 1
DOI: 10.1055/s-0030-1256360
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Krankenhaushygiene und rationale Antibiotikaverordnung – gesetzlicher Regelungsbedarf ?

Winfried  Kern
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Publikationsdatum:
22. März 2011 (online)

Winfried Kern

Im Referentenentwurf zu einem neuen Gesetz zur Verbesserung der Krankenhaushygiene geht man davon aus, dass krankenhaushygienische Erfordernisse und Kontrollmaßnahmen „verstärkt durchgesetzt” werden müssen.

Das Gesetz soll den Empfehlungen der beiden Kommissionen beim RKI – die bereits bestehende „Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention” (KRINKO) und die neu zu etablierende „Kommission Antiinfektive Resistenzlage und Therapie” (KART) – Richtliniencharakter verleihen. Die Länder „dürfen” (= werden verpflichtet) – soweit noch nicht geschehen – Krankenhaushygieneverordnungen erlassen, die die Leiter der Gesundheitseinrichtungen auf die Richtlinien der beiden Kommissionen verpflichten.

Nicht schlecht. Zumindest ein Stück mehr föderale Harmonisierung – oder Zentralisierung? Es kommt nun auf die Arbeit der beiden Kommissionen an. Wie viel Wissenschaft, wie viel Abstimmung und Konsens mit den Betroffenen, welche Zielvorstellungen, wie viel „Kontrolle” – welche Ergebnis- und Prozessindikatoren – und welche Sanktionen werden in den beiden Kommissionen diskutiert bzw. berücksichtigt. Kommissionen arbeiten so gut wie ihre Mitglieder und ihre Leitungsstruktur. Es geht um ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Wissenschaft, Praxis, „Staat” und Kostenträgern. Alle haben dabei ihre Interessen, und es ist nicht einfach, bei der Auswahl der Mitglieder und Leiter potenzielle Interessenkonflikte transparent zu machen und zu minimieren.

Wir haben in Deutschland viele Praktiker, Anwender – sowohl in der Krankenhaushygiene als auch bei der Antibiotikaverordnung – auch viele, sehr viele selbsternannte Experten. Wir haben viele Fachgesellschaften, die sich mit Krankenhaushygiene und Infektiologie mehr oder weniger substanziell beschäftigen, viele Meinungen, viele Lobbyisten, viel Selbstlob, viel Kollegenschelte. Aber: haben wir genügend Wissenschaft und Forschung in diesen Bereichen? Kennen wir wirklich unsere Qualität im Bereich nosokomiale Infektionsprävention und Antibiotikaverordnung, das Optimierungspotenzial? Genügt es, Erfahrungen aus den Niederlanden oder von anderswo abzuschreiben? Oder müssen wir nicht selbst anwendungsorientierte Forschung betreiben, aus eigenen Experimenten eigene Erfahrungen generieren, eigene Ziele und ihre Erreichbarkeit formulieren? Ist gesetzlicher Regelungsbedarf nicht Ausdruck mangelhaften Konsenses in den eigenen Reihen, Ausdruck von umstrittener Pseudowissenschaft und fehlender überzeugender Forschung im eigenen Land, unausgetragener Interessenkonflikte?

Ironie, dass im Land Robert Kochs die Standards im Bereich Infektionsmedizin nicht mehr von der eigenen Forschung und Wissenschaft gesetzt werden, sondern gesetzlicher Regelungsbedarf erkannt wird? Begreifen wir es als eine Chance. Baisse – Hausse, Zyklus – Antizyklus, Kleinstaaterei – nationaler Konsens, Selbstverliebtheit – Patientenorientierung.

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